Auf in den Wahlkampf! Martino Rossi (9m1) berichtet über seine Kandidatur für das 1. Braunschweiger Jugendparlament.
Regelmäßige Leser des
WGtarier wissen wahrscheinlich, dass ich mich sehr gerne politisch engagiere.
So kam es für viele wahrscheinlich auch nicht verwunderlich, mich auf der
Kandidatenliste des 1. Braunschweiger Jugendparlament zu sehen. Ich führte nun
wochenlang Wahlkampf, habe es letztendlich auch geschafft und darf mich nun mit
Beginn der Legislaturperiode am 1. Mai „Abgeordneter der 1. Legislaturperiode
des Braunschweiger Jugendparlament“ nennen. Ich werde nun in den nächsten zwei
Jahren hier in der Schülerzeitung in Form eines Tagebuchs über meine Erlebnisse
berichten und fange heute mit meinem ersten Eintrag mit dem Titel „Auf in den
Wahlkampf!“ an. Viel Spaß beim Lesen!
Es war mitten im
verschneiten Dezember, als ich von der Möglichkeit erfuhr, für das 1.
Braunschweiger Jugendparlament zu kandidieren. Einen Monat Zeit hatte ich nun,
um mir zu überlegen, ob ich das machen will oder nicht. Ich nahm mir diese Zeit
und wägte Vorteile und Nachteile gegeneinander ab: Auf der einen Seite war
natürlich die viele Zeit, die das in Anspruch nehmen würde, doch wollte ich
schon immer aktiv mitentscheiden. Ich entschied mich dann auch recht schnell
dafür, dass ich das machen und die Zeit in Kauf nehmen will. Denn mir ist es
wichtig, mich für die Jugend in Braunschweig zu engagieren und wo kann man das
besser als im 1. Braunschweiger Jugendparlament, sagte ich mir. So
bewarb ich mich für das 1. Braunschweiger Jugendparlament!
Das Jugendparlament ist zwar
unparteiisch, doch formierten sich ganz schnell hinter den einzelnen Kandidaten
verschiedene politische Jugendorganisationen und Gruppen bildeten sich. Auch
bei meinen Jusos fanden wir uns gleich zu fünf Kandidaten zusammen, die wir uns
Anfang Februar mit Teilen unseres Vorstands zu einer ersten Besprechung
zusammensetzten.
Erstmal schauten wir uns an,
wie es denn bei der Konkurrenz aussieht: Wir stellten fest, dass es neben uns
zwölf Kandidaten der Jungen Union gab, und wussten, dass das ein harter Kampf
wird, gegen mehr als doppelt so viele Kandidaten unseres gefährlichsten Gegners
anzutreten, wussten aber direkt, dass wir es schaffen können, wenn wir uns
gegenseitig unterstützen. Darüber hinaus gab es einen Kandidaten von der Grünen
Jugend und zwei von den Jungen Liberalen sowie einen von der Linksjugend solid.
Besonders schockiert zeigten wir uns darüber, dass zwei Kandidaten sogar der
Jungen Alternative nahestanden, und wussten, dass wir jetzt alles geben
müssten, um diese Kandidaten möglichst fern vom Jugendparlament zu halten. Denn
wir waren uns alle einig, dass das Jugendparlament offener Ort einer
demokratischen Debatte unter Jugendlichen werden sollte und nicht der
Präsentierteller für menschenverachtende rechte Hetze von solchen widerlichen
Organisationen.
Dann warfen wir einen Blick
in die Wahlordnung und notierten uns, dass die Wahl vom 26. Februar bis zum 8.
März 2024 online durchgeführt wird, wobei jeder der 18.000 Jugendlichen fünf
Stimmen haben sollte und insgesamt 19 Plätze zu vergeben waren. Vor allem diese
geringe Anzahl an Sitzen zeigte uns angesichts der hohen Kandidatenzahl der
Jungen Union, dass wir ordentlich Wahlkampf treiben müssen, einen besseren
Wahlkampf als die Gegner.
Anschließend erstellten wir
eine Checkliste mit Fragen, die alle zu beantworten haben, mit Wahlkampfideen
und mit verschiedenen Aufgaben an alle. Auch einen Zeitplan galt es zu
erstellen. Wenige Tage später kam dann die Nachricht, die unseren ganzen
Zeitplan durcheinander wirbeln sollte. Auf einmal sollten Fotos und
Wahlprogramme innerhalb weniger Tage bei der Stadt für Wahlplakate eingereicht
werden. Doch mit ganz viel Teamwork und toller Unterstützung von unserer
SPD-Bezirksfotografin schafften wir es, innerhalb von wenigen Tagen ein
Fotoshooting auf dem Burgplatz zu organisieren und unsere Wahlprogramme fertig
zu machen, sodass wir gerade so noch wenige Stunden vor der Deadline alle
angeforderten Dokumente einsenden konnten. An dieser Stelle ein großes
Dankeschön an alle Personen, die das für uns möglich gemacht haben!
Doch nun begann der
Wahlkampf erst richtig: Ich war wohl der einzige der 18.000 Jugendlichen, der
bis dahin noch keinen eigenen Social-Media-Account hatte. Da ich aber
ganz genau wusste, dass ein solcher mir viele Stimmen einbringen kann, war es
jetzt an der Zeit, einen zu erstellen. Anfangs war echtes Neuland für mich und
meine Designs waren wirklich schrecklich! Doch mit der Zeit lernte ich damit
umzugehen und erfuhr auch davon, dass es so etwas wie „Storys“ gibt und dass
sich die User die „Storys“ am meisten angucken. Bis dahin hatte ich nur
Beiträge gemacht und nur wenige Follower, aber seit diesem Moment begann meine
Followerzahl rapide bis auf heute 175 zu steigen. So kann man festhalten, dass
sich diese Entscheidung auf jeden Fall ausgezählt hat.
Aber mein Wahlkampf bestand
nicht nur aus Social Media, nein, mein Schwerpunkt sollte auf dem direkten Kontakt
in meiner Schule liegen: So kontaktierte ich den Fachgruppenleiter
Politik-Wirtschaft, Herr Vieweg, und informierte ihn darüber, dass ich gerne
Wahlkampf in der Schule betreiben würde und fragte ihn, ob er mir dabei helfen
könne. Direkt zeigte er sich sehr offen und engagiert und lud mich kurzerhand
in seinen PW-Leistungskurs in Jahrgang 13 ein. Dort stieß ich auf einige
bekannte Gesichter von den Jusos und auf einen konstruktiven Austausch mit
vielen Ideen für den Wahlkampf. Am Ende kristallisierte sich folgende Option
heraus: Ich wollte eine E-Mail an die ganze Schülerschaft schreiben und über
mich und meine Ziele informieren. Doch vor allem wollte ich durch die einzelnen
Klassen gehen und persönlich mit den Schülerinnen und Schülern in den Austausch
gehen und offen für Fragen sein.
Eine Woche später begann nun
der Schulwahlkampf und ich machte mich für eine Woche mit digitalen Flyern und
von meinem SPD-Ortsverein Östliches Ringgebiet finanzierten Gummibärchen durch
auf den Weg durch die Klasse 8-13. Ich stellte meine Themen vor und warb auch
für die anderen Kandidaten. Ich stellte mich den Fragen und war sehr glücklich
darüber, dass ihr so interessiert an meiner Kandidatur wart und mich mit vielen
guten Fragen zu gelöchert habt. Als kleines Wahlgeschenk verteilte ich zum
Schluss meine Gummibärchen und „airdropte“ meinen Flyer. Wie sagte ich immer so
schön: Politik ist Bestechung! Spaß beiseite, es war sehr schön, so viel
Interesse und Unterstützung von der Schülerschaft zu bekommen.
Wenige Tage vor Ende des
Wahlkampfs wartete nun noch ein ganz wichtiger Termin auf mich: die Wahlveranstaltung
des Stadtschülerrats mit eingegliederter Podiumsdiskussion im
Jugendzentrum hinter der Magnikirche. Ich wurde für das Podium geladen und vor
Ort herzlich vom Stadtschülerrat und dem Jugendzentrum, das extra seine Pforten
am Wochenende für uns öffnete, sowie dem Jugendring, der Verpflegung im hohen
dreistelligen Betrag stellte, begrüßt. Ich war in der zweiten Diskussion
eingeteilt und durfte mit dem Sprecher des Stadtschülerrats, dem Kandidaten der
Grünen Jugend und einen freiwilligen Kandidaten aus dem Publikum auf das
Podium. Was wir erreichen wollen, wo unser Lieblingsplatz in Braunschweig sei und
warum man ausgerechnet uns und nicht jemand anderen wählen sollte, wurden wir
u. a gefragt. Ich kam schnell in einen flüssigen Rhythmus und konnte mich genauso
präsentieren, wie ich das wollte und von mir selbst erwartet habe. Ich bedanke
mich bei allen verantwortlichen Akteuren für diese wunderbare Gelegenheit der
Stimmgewinnung! Außerdem bedanke ich mich bei den Jusos für die finanzielle
Unterstützung beim reichlichen Wahlkampfmaterial, Flyer, Sticker, Buttons,
usw., die ich auf der Wahlveranstaltung fleißig verteilen konnte!
Mit einem Wahlkampfstand vor
dem Schloss wurde es leider nichts mehr, da wir dafür frühzeitig eine
Genehmigung hätten beantragen müssen. Stattdessen mussten wir die unverantwortliche
Veranstaltung der Jungen Union wahrnehmen: Und damit meine ich nicht
das liebliche Frühstück mit französischen Croissants auf dem Kohlmarkt, sondern
den Flunkyball auf der Braunschweiger Partymeile. Flunkyball ist ein Saufspiel,
dass so funktioniert: Jeder Spieler positioniert sich vor einer Flasche Bier,
die er möglichst schnell nach einem Treffer seines Teams trinken muss.
Abwechselnd wirft immer ein Spieler der Teams mit einem Ball auf die mittig
stehende Flasche. Wird diese getroffen und fällt um, darf das Team, welches
getroffen hat, trinken. So ein Spiel in Verbindung mit einer Wahl zu spielen,
wo Minderjährige und unter 16-jährige wählen dürfen, ist in meinen Augen ein
absolutes No-Go!
Aber wie sich auf der
Wahlparty, wo nach langen Warten das Ergebnis bekannt gegeben wurde,
herausstellte, hat ihr Kater der Jungen Union nichts gebracht. Keiner ihrer 12
Kandidaten schaffte den Einzug ins Braunschweiger Jugendparlament. Nach
hektischem Suchen entdeckte ich auch mich auf Platz 8 auf der Liste und war überglücklich
und erleichtert über den Einzug ins Parlament. Ich freute mich auch
sehr über die weiteren guten Plätze unserer Jusos, insbesondere Platz 1 für
Nele Emily Konnegen. Leider schaffte es einer unserer 5 Kandidaten nicht ins
Parlament, was mir besonders leid tut. Ich sah, dass noch je ein Kandidat von
Grüne Jugend und Junge Liberale eingezogen war und war sehr froh, dass wir
rechte Hetze vom Parlament fern halten konnten, denn die beiden der Jungen
Alternative nahestehenden Kandidaten schafften es nicht ins Braunschweiger
Jugendparlament. Eine exzellente Nachricht!
Kurz danach bekamen wir
erste Infos, was uns nun erwartet: Vier
Arbeitswochenenden in der Ländlichen Heimvolksschule Mariaspring in Bovenden
bei Göttingen wird es geben, in dem wir Satzung, Aufstellung, Arbeitsweise und
Themen des Jugendparlaments gemeinsam in ruhiger Atmosphäre erarbeiten werden.
Das Highlight ist dann natürlich die Konstituierende Sitzung am 13. Mai
zwischen 17 und 20 Uhr, wo wir in Anwesenheit von unserem Oberbürgermeister Dr.
Thorsten Kornblum Satzung und Vorstand bestimmen werden und wozu alle
Braunschweigerinnen und Braunschweiger, natürlich vor allem ihr, die
Jugendlichen, herzlich in den Ratssaal im Rathaus eingeladen sind, um von der
Besuchertribüne das Geschehen verfolgen zu können. Im Mai wartet noch etwas Besonderes:
Die BundesJugendKonferenz in Berlin, wo wir an der Jugendstrategie der
Bundesregierung aktiv mitwirken und mit ihr in den Austausch kommen können. Ich
freue mich!
Zuletzt wartete dann noch
eine Veranstaltung auf mich, die zwar nichts mit dem Braunschweiger
Jugendparlament, aber mit Jugendpolitik zu tun hatte und an der ich
selbstverständlich teilnahm: die Podiumsdiskussion der politischen
Jugendorganisationen in der Aula der Gaußschule. Zu Gast waren meine
Jungen Sozialisten (Jusos), die Junge Union (JU), die Grüne Jugend (GJ), die
Jungen Liberalen (JuLis) und die Linksjugend (solid). Viele Aussagen fand ich
dort sehr seltsam und möchte sie nun hier aufzählen und wiederlegen:
- Junge Union und Junge
Liberale meinten, dass wir illegale Einwanderer konsequent abschieben sollten,
um die Kommunen zu entlasten, erwähnten aber im gleichen Atemzug, dass wir mehr
Arbeitskräfte bräuchten: Da haben die wohl vergessen, dass keiner ohne Grund
nach Deutschland kommt und deshalb generell nicht abgeschoben werden sollte.
Und angesichts des demokratischen Wandels sollten wir wissen, dass wir mehr
Arbeitskräfte brauchen und uns darüber freuen, dass Migranten nach so einer
schrecklichen Flucht bei uns arbeiten wollen und uns somit den „Arsch retten“,
was überhaupt nicht selbstverständlich ist, und ihnen nicht noch mit
Abschiebungsdrohungen einen reinwürgen.
- Die Junge Union stehe
angeblich aktiv gegen die AfD und spreche sich gegen jegliche Zusammenarbeit
mit ihr aus. Komisch finde ich es dann, dass einer Civey-Umfrage zu entnehmen
ist, dass sich 36% der Unionsmitglieder eine größere Offenheit gegenüber der
AfD in Fragen der Zusammenarbeit wünschen. Mehr sage ich dazu mal nicht.
- Die Junge Liberale
fantasierte, dass man Klimaschutz ohne Verbote schaffen könne. Denken die JuLis
wirklich, dass die Millionär*innen (bewusst gegendert) freiwillig auf den ÖPNV
umsteigen und dabei auf ihre geschätzten Luxusschlitten verzichten?
- Zu aller Krönung
kritisierte die solid noch, dass politische Mandatsträger an Demos gegen Rechts
teilgenommen haben. Oh, mein Gott, wie schrecklich, dass sich unser
Bundestagsabgeordneter für die Demokratie einsetzt (ironisch gemeint). Wie dumm
ist das denn? Wir brauchen doch schließlich jeden, um zu zeigen, dass wir mehr
sind und politische Mandatsträger können die Forderungen der Straße, unsere
Forderungen, doch am besten an die zuständigen Verfassungsorgane bringen.
Danke an alle Lügner für den
amüsanten Abend!
Nun aber freue ich mich
darauf, mich für Euch und alle anderen Jugendlichen in Braunschweig einsetzen
zu können und bin gespannt auf meine Arbeit!
Mit politischen Grüßen
Martino Rossi
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