Sapienta
et/contra eloquentia? Wilfried Stroh über den Zusammenhang von
Weisheit und Redegewandtheit bei Cicero. Von Adrian Döring
War
Cicero ein Philosoph in der Politik oder ein philosophierender
Politiker? Und wie sah er sich selber?
Diese
Frage stellten sich seit der Neuzeit nicht nur der italienische
Dichter Francesco Petrarca (1303-1374) und der deutsche
Altertumswissenschaftler Theodor Mommsen (1817-1903), sondern auch
Prof. Dr. Wilfried Stroh und seine Zuhörer am Abend des 20. August
in der Aula des Hauptgebäudes des Wilhelm Gymnasiums.
„Ciceros
Prooemium zu De re publica im Rahmen seines Lebens und
Denkens“, so der Titel des Vortrages, zog erfreulicher Weise sehr
viele Schüler der Oberstufe an, die einen bedeutenden Anteil des
Publikums bildeten.
Prof. Dr. Wilfried Stroh (http://stroh.userweb.mwn.de/main32.html) |
Nach
der Begrüßung durch Herrn Duwe, Lehrer für Geschichte und Latein
am Wilhelm-Gymnasium, begann Stroh - nach einer kleinen Einleitung
auf Latein, das man als ganz-und-gar-nicht-tot bezeichnen kann - den
thematischen Teil des Vortrages mit sehr gegensätzlichen
Antwortversuchen von Petrarca bis ins zwanzigste Jahrhundert: von dem
deutschen Althistoriker Christian Habicht (*1926) und dem klassischen
Philologen Eduard Norden (1868-1941).
Mit
diesen konträren Interpretationen ging Stroh über zu einem Text des
jungen Cicero, dessen Titel De inventione (dt. „Über das
Auffinden“, gemeint ist: des Redestoffs) einen Ausblick auf
das Folgende gibt. In diesem Text tauchen die beiden Grundbegriffe
auf, die den ganzen Vortrag durchzogen. Zum einen die eloquentia,
die Redegewandtheit, die in Verbindung mit sapientia, der
Weisheit, nützlich, ohne sie jedoch schädlich ist. Dieses
Verständnis der Symbiose von Weisheit beziehungsweise Philosophie
und Rhetorik entspricht, so Stroh, der Vorstellung Platons vom
Philosophenkönig, dem idealen Herrscher.
In
seinem Werk De re publica (dt. „Über das Gemeinwesen“)
scheint er den Standpunkt der Philosophen anzugreifen und ihren
Nutzen auf bloße Unterhaltung für die Mußezeiten zu beschränken.
Doch der Schein trügt. Cicero vertritt dort zwar eine in Rom zum
damaligen Zeitpunkt sehr populäre Meinung, sein Ideal vom
Philosophenkönig scheint er jedoch auch hier einzuschmuggeln. Er
schafft nämlich eine neue Metapher von der Tugend. Die Tugend, so
Cicero, kann man nicht wie irgendeine Kunst beherrschen, sondern sie
existiert einzig und allein in ihrer Anwendung. Der deutsche
Schriftsteller Erich Kästner (1899-1974) habe dies, so Stroh, auf
die Faustformel herunter gebrochen: „Es gibt nichts Gutes, außer:
Man tut es.“ Cicero will die Tugenden in der Politik umsetzen, von
denen die Philosophen „in ihren Winkeln nur große Worte machen“.
Er
will also, dass die philosophischen Ideale mithilfe der Politik
umgesetzt werden.
Auch
wenn Cicero an Tiefpunkten seiner Laufbahn immer wieder in Briefen an
seine Freunde damit liebäugelt, sich aus der Politik zurückzuziehen,
bleibt er diesem Ideal bis an sein Lebensende treu.
Selbstverständlich
kamen bei diesem Vortrag auch noch viele andere Aspekte zur Sprache,
die wiederzugeben den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.
Durch
die sehr lebendige Vortragsweise des Referenten verging die gute
Stunde, die der Vortrag in Anspruch nahm, wie im Fluge. Im Anschluss
daran hatten die Zuhörer die Möglichkeit, Fragen zu stellen, die
Stroh ausführlich beantwortete. Hierbei kam sehr viel Interessantes,
auch über Ciceros Persönlichkeit, zu Tage. Zum Abschluss wurde dem
sehr engagierten Redner, dem man auch dank eines 14seitigen Handouts
sehr gut folgen konnte, von Herrn Conrad, der ihn an das
Wilhelm-Gymnasium eingeladen hatte, ein Präsent überreicht.
Sozusagen als Dank für einen spannenden, aufschlussreichen,
unterhaltsamen und rundum gelungene Abend.