Mittwoch, fünfte Stunde. Ich sitze im
Philosophieunterricht, hänge meinen – natürlich philosophischen – Gedanken nach
und ahne nichts Böses, da stellt Herr Huber mir auf einmal die Frage, ob ich
denn nicht für unsere Schülerzeitung einen Bericht über die „Wolken“-Aufführung
schreiben wolle, die vor circa einer Woche an unserer Schule stattgefunden hat.
Das klang und klingt für mich nach einer wunderbaren Idee.
Na ja, wahrscheinlich weiß jetzt ein Großteil der
Leserschaft gar nicht, worum es geht, deswegen erstmal ein kurzer Eindruck:
Dieses Theaterstück ist eine Komödie über den armen Bauern
Strepsiades (gespielt von Vanessa Niemitz – richtig: der Autorin dieses
Artikels), dessen Sohn Pheidippides (Benedikt Höxter) über seine Verhältnisse
lebt und den Vater so in Schulden getrieben hat. Strepsiades geht zur
ansässigen Philosophenschule, weil er sich dort Hilfe erhofft. Zusammen mit dem
Philosophen Sokrates (Benjamin Diethelm) und seinem Schüler (York Steifensand),
deren Götterwesen einzig und allein die Wolken (Henriette Steifensand und
Stefanie Leonhard) sind, wird jedoch bald klar, dass Strepsiades alles
vergisst, was er lernt. So wird schließlich sein Sohn Pheidippides zum
Unterricht geschickt. Er entscheidet sich gegen das Recht (vertreten von
Friederike Steifensand) und für das Unrecht (vertreten von Anna Krause).
Pheidippides lernt in Folge, so gut zu reden, dass Strepsiades keine Angst mehr
vor seinen Gläubigern (Arne Hilgendag und Philipp Krause) hat und ihnen auf der
Nase herumtanzt.
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Der täppische Philosophenschüler Strepsiades (Vanessa Niemitz) im Gespräch mit Sokrates (Benjamin Diethelm), der in Aristophanes' "Wolken" (423 v. Chr.) - anders als in den Dialogen Platons - nicht als unangreifbarer Großphilosoph dargestellt wird, sondern als gegen Bares lehrender Sophist, der zum Atheismus anstachelt und die Jugend verdirbt. Wegen u. a. dieser Vorwürfe wurde Sokrates später in Athen zum Tode verurteilt. Ob Aristophanes Sokrates kritisiert oder vielmehr das Sokratesbild der Athener Bevölkerung, ist unklar. Immerhin hat Sokrates später dem Komödiendichter in seinem "Symposion"den Mythos von den Kugelmenschen, der den Ursprung der Liebe erklärt, in den Mund gelegt. |
Am Ende wendet sich jedoch das Schicksal gegen den Vater,
als der Sohn anfängt, auch ihm Unrecht zu tun, und sich dabei noch ins rechte
Licht zu rücken. Strepsiades zündet wutentbrannt die Philosophenklause an und
verspricht, nie wieder die Götter zu verschmähen.
Das Stück basiert auf der griechischen Originalkomödie von
Aristophanes, der Text wurde von uns, der AG Griechisches Theater, unter der
Leitung von Herrn Conrad, in aufwändiger Arbeit modernisiert, einzelne
Textstellen gekürzt, Witze, die in griechischer Sprache lustig klingen, aber in
deutscher nicht, abgewandelt. Kurz gesagt: Wir hatten alle Hände voll zu tun.
Als es dann endlich ans Proben ging, wurden rasch die
Rollen vergeben, Kostüme erdacht, denn jedes Kostüm muss zur eigenen Rolle
passen, aber im Grunde genommen kam sich der Großteil der Schauspieler in den
Kostümen eher lächerlich vor.
Doch diese Bürde nahmen wir auf uns, trommelten noch ein
paar Fünftklässler zusammen, die den Chor auf der Bühne begleiteten, sodass ein
weißer, fluffiger Haufen „Wölkchen“ entstand.
Dann waren im Großen und Ganzen alle Vorbereitungen
getroffen, das Stück konnte beginnen.
Donnerstag, 6.6., acht Uhr, Aula des Wilhelm-Gymnasiums.
Klaviermusik ertönt (Tizian Raschpichler am Flügel mit
selbstkomponierten Stücken). Zwei Schüler liegen auf der Bühne. Die vibrierende
Spannung in der Aula ist förmlich zu spüren, im proppenvollen Zuschauerraum
lauert jeder auf eine Bewegung der Schauspieler. So – oder so ähnlich –
reagierte das Publikum auf die Aufführung.
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Die Mitwirkenden des Schauspiels. |
Da! Die Musik verstummt, das Licht geht an. Die Schüler auf
der Bühne bewegen sich, fangen an zu reden.
Anderthalb Stunden lang wird nun auf der Bühne
herumgerannt, geschrieen, geprügelt. Text wird vergessen, Passagen werden
improvisiert, Schauspieler fallen sich gegenseitig ins Wort.
Das Publikum begrüßt das Stück dennoch, es wird gelacht und
applaudiert. Für die Improvisationen haben wir interessanterweise das meiste
Lob bekommen.
Es scheint also, dass das Stück dem Publikum genauso viel
Spaß gemacht hat wie den Mitwirkenden.
Und
obwohl das Stück aus der antiken Literatur stammt, hat es nach wie vor
Bedeutung, Strepsiades erlebt die wohlbekannte Regel „wer anderen eine Grube
gräbt, fällt selbst hinein“ schmerzhaft am eigenen Leibe. Ist das denn
heutzutage anders?
An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Herrn Conrad
und alle anderen Freunde griechischen Theaters, die uns so großartig
unterstützt haben!
Fotos: Sylvia Thiele