Freitag, 22. März 2024

Jugendparlament, Teil 1

Auf in den Wahlkampf! Martino Rossi (9m1) berichtet über seine Kandidatur für das 1. Braunschweiger Jugendparlament.

 

Regelmäßige Leser des WGtarier wissen wahrscheinlich, dass ich mich sehr gerne politisch engagiere. So kam es für viele wahrscheinlich auch nicht verwunderlich, mich auf der Kandidatenliste des 1. Braunschweiger Jugendparlament zu sehen. Ich führte nun wochenlang Wahlkampf, habe es letztendlich auch geschafft und darf mich nun mit Beginn der Legislaturperiode am 1. Mai „Abgeordneter der 1. Legislaturperiode des Braunschweiger Jugendparlament“ nennen. Ich werde nun in den nächsten zwei Jahren hier in der Schülerzeitung in Form eines Tagebuchs über meine Erlebnisse berichten und fange heute mit meinem ersten Eintrag mit dem Titel „Auf in den Wahlkampf!“ an. Viel Spaß beim Lesen!

 

Es war mitten im verschneiten Dezember, als ich von der Möglichkeit erfuhr, für das 1. Braunschweiger Jugendparlament zu kandidieren. Einen Monat Zeit hatte ich nun, um mir zu überlegen, ob ich das machen will oder nicht. Ich nahm mir diese Zeit und wägte Vorteile und Nachteile gegeneinander ab: Auf der einen Seite war natürlich die viele Zeit, die das in Anspruch nehmen würde, doch wollte ich schon immer aktiv mitentscheiden. Ich entschied mich dann auch recht schnell dafür, dass ich das machen und die Zeit in Kauf nehmen will. Denn mir ist es wichtig, mich für die Jugend in Braunschweig zu engagieren und wo kann man das besser als im 1. Braunschweiger Jugendparlament, sagte ich mir. So bewarb ich mich für das 1. Braunschweiger Jugendparlament!

 

Das Jugendparlament ist zwar unparteiisch, doch formierten sich ganz schnell hinter den einzelnen Kandidaten verschiedene politische Jugendorganisationen und Gruppen bildeten sich. Auch bei meinen Jusos fanden wir uns gleich zu fünf Kandidaten zusammen, die wir uns Anfang Februar mit Teilen unseres Vorstands zu einer ersten Besprechung zusammensetzten.

 

Erstmal schauten wir uns an, wie es denn bei der Konkurrenz aussieht: Wir stellten fest, dass es neben uns zwölf Kandidaten der Jungen Union gab, und wussten, dass das ein harter Kampf wird, gegen mehr als doppelt so viele Kandidaten unseres gefährlichsten Gegners anzutreten, wussten aber direkt, dass wir es schaffen können, wenn wir uns gegenseitig unterstützen. Darüber hinaus gab es einen Kandidaten von der Grünen Jugend und zwei von den Jungen Liberalen sowie einen von der Linksjugend solid. Besonders schockiert zeigten wir uns darüber, dass zwei Kandidaten sogar der Jungen Alternative nahestanden, und wussten, dass wir jetzt alles geben müssten, um diese Kandidaten möglichst fern vom Jugendparlament zu halten. Denn wir waren uns alle einig, dass das Jugendparlament offener Ort einer demokratischen Debatte unter Jugendlichen werden sollte und nicht der Präsentierteller für menschenverachtende rechte Hetze von solchen widerlichen Organisationen.

 

Dann warfen wir einen Blick in die Wahlordnung und notierten uns, dass die Wahl vom 26. Februar bis zum 8. März 2024 online durchgeführt wird, wobei jeder der 18.000 Jugendlichen fünf Stimmen haben sollte und insgesamt 19 Plätze zu vergeben waren. Vor allem diese geringe Anzahl an Sitzen zeigte uns angesichts der hohen Kandidatenzahl der Jungen Union, dass wir ordentlich Wahlkampf treiben müssen, einen besseren Wahlkampf als die Gegner.

 

Anschließend erstellten wir eine Checkliste mit Fragen, die alle zu beantworten haben, mit Wahlkampfideen und mit verschiedenen Aufgaben an alle. Auch einen Zeitplan galt es zu erstellen. Wenige Tage später kam dann die Nachricht, die unseren ganzen Zeitplan durcheinander wirbeln sollte. Auf einmal sollten Fotos und Wahlprogramme innerhalb weniger Tage bei der Stadt für Wahlplakate eingereicht werden. Doch mit ganz viel Teamwork und toller Unterstützung von unserer SPD-Bezirksfotografin schafften wir es, innerhalb von wenigen Tagen ein Fotoshooting auf dem Burgplatz zu organisieren und unsere Wahlprogramme fertig zu machen, sodass wir gerade so noch wenige Stunden vor der Deadline alle angeforderten Dokumente einsenden konnten. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Personen, die das für uns möglich gemacht haben!

 

Doch nun begann der Wahlkampf erst richtig: Ich war wohl der einzige der 18.000 Jugendlichen, der bis dahin noch keinen eigenen Social-Media-Account hatte. Da ich aber ganz genau wusste, dass ein solcher mir viele Stimmen einbringen kann, war es jetzt an der Zeit, einen zu erstellen. Anfangs war echtes Neuland für mich und meine Designs waren wirklich schrecklich! Doch mit der Zeit lernte ich damit umzugehen und erfuhr auch davon, dass es so etwas wie „Storys“ gibt und dass sich die User die „Storys“ am meisten angucken. Bis dahin hatte ich nur Beiträge gemacht und nur wenige Follower, aber seit diesem Moment begann meine Followerzahl rapide bis auf heute 175 zu steigen. So kann man festhalten, dass sich diese Entscheidung auf jeden Fall ausgezählt hat.

 

Aber mein Wahlkampf bestand nicht nur aus Social Media, nein, mein Schwerpunkt sollte auf dem direkten Kontakt in meiner Schule liegen: So kontaktierte ich den Fachgruppenleiter Politik-Wirtschaft, Herr Vieweg, und informierte ihn darüber, dass ich gerne Wahlkampf in der Schule betreiben würde und fragte ihn, ob er mir dabei helfen könne. Direkt zeigte er sich sehr offen und engagiert und lud mich kurzerhand in seinen PW-Leistungskurs in Jahrgang 13 ein. Dort stieß ich auf einige bekannte Gesichter von den Jusos und auf einen konstruktiven Austausch mit vielen Ideen für den Wahlkampf. Am Ende kristallisierte sich folgende Option heraus: Ich wollte eine E-Mail an die ganze Schülerschaft schreiben und über mich und meine Ziele informieren. Doch vor allem wollte ich durch die einzelnen Klassen gehen und persönlich mit den Schülerinnen und Schülern in den Austausch gehen und offen für Fragen sein.

 

Eine Woche später begann nun der Schulwahlkampf und ich machte mich für eine Woche mit digitalen Flyern und von meinem SPD-Ortsverein Östliches Ringgebiet finanzierten Gummibärchen durch auf den Weg durch die Klasse 8-13. Ich stellte meine Themen vor und warb auch für die anderen Kandidaten. Ich stellte mich den Fragen und war sehr glücklich darüber, dass ihr so interessiert an meiner Kandidatur wart und mich mit vielen guten Fragen zu gelöchert habt. Als kleines Wahlgeschenk verteilte ich zum Schluss meine Gummibärchen und „airdropte“ meinen Flyer. Wie sagte ich immer so schön: Politik ist Bestechung! Spaß beiseite, es war sehr schön, so viel Interesse und Unterstützung von der Schülerschaft zu bekommen.

 

Wenige Tage vor Ende des Wahlkampfs wartete nun noch ein ganz wichtiger Termin auf mich: die Wahlveranstaltung des Stadtschülerrats mit eingegliederter Podiumsdiskussion im Jugendzentrum hinter der Magnikirche. Ich wurde für das Podium geladen und vor Ort herzlich vom Stadtschülerrat und dem Jugendzentrum, das extra seine Pforten am Wochenende für uns öffnete, sowie dem Jugendring, der Verpflegung im hohen dreistelligen Betrag stellte, begrüßt. Ich war in der zweiten Diskussion eingeteilt und durfte mit dem Sprecher des Stadtschülerrats, dem Kandidaten der Grünen Jugend und einen freiwilligen Kandidaten aus dem Publikum auf das Podium. Was wir erreichen wollen, wo unser Lieblingsplatz in Braunschweig sei und warum man ausgerechnet uns und nicht jemand anderen wählen sollte, wurden wir u. a gefragt. Ich kam schnell in einen flüssigen Rhythmus und konnte mich genauso präsentieren, wie ich das wollte und von mir selbst erwartet habe. Ich bedanke mich bei allen verantwortlichen Akteuren für diese wunderbare Gelegenheit der Stimmgewinnung! Außerdem bedanke ich mich bei den Jusos für die finanzielle Unterstützung beim reichlichen Wahlkampfmaterial, Flyer, Sticker, Buttons, usw., die ich auf der Wahlveranstaltung fleißig verteilen konnte!

 

Mit einem Wahlkampfstand vor dem Schloss wurde es leider nichts mehr, da wir dafür frühzeitig eine Genehmigung hätten beantragen müssen. Stattdessen mussten wir die unverantwortliche Veranstaltung der Jungen Union wahrnehmen: Und damit meine ich nicht das liebliche Frühstück mit französischen Croissants auf dem Kohlmarkt, sondern den Flunkyball auf der Braunschweiger Partymeile. Flunkyball ist ein Saufspiel, dass so funktioniert: Jeder Spieler positioniert sich vor einer Flasche Bier, die er möglichst schnell nach einem Treffer seines Teams trinken muss. Abwechselnd wirft immer ein Spieler der Teams mit einem Ball auf die mittig stehende Flasche. Wird diese getroffen und fällt um, darf das Team, welches getroffen hat, trinken. So ein Spiel in Verbindung mit einer Wahl zu spielen, wo Minderjährige und unter 16-jährige wählen dürfen, ist in meinen Augen ein absolutes No-Go!

 

Aber wie sich auf der Wahlparty, wo nach langen Warten das Ergebnis bekannt gegeben wurde, herausstellte, hat ihr Kater der Jungen Union nichts gebracht. Keiner ihrer 12 Kandidaten schaffte den Einzug ins Braunschweiger Jugendparlament. Nach hektischem Suchen entdeckte ich auch mich auf Platz 8 auf der Liste und war überglücklich und erleichtert über den Einzug ins Parlament. Ich freute mich auch sehr über die weiteren guten Plätze unserer Jusos, insbesondere Platz 1 für Nele Emily Konnegen. Leider schaffte es einer unserer 5 Kandidaten nicht ins Parlament, was mir besonders leid tut. Ich sah, dass noch je ein Kandidat von Grüne Jugend und Junge Liberale eingezogen war und war sehr froh, dass wir rechte Hetze vom Parlament fern halten konnten, denn die beiden der Jungen Alternative nahestehenden Kandidaten schafften es nicht ins Braunschweiger Jugendparlament. Eine exzellente Nachricht!

 

Kurz danach bekamen wir erste Infos, was uns nun erwartet: Vier Arbeitswochenenden in der Ländlichen Heimvolksschule Mariaspring in Bovenden bei Göttingen wird es geben, in dem wir Satzung, Aufstellung, Arbeitsweise und Themen des Jugendparlaments gemeinsam in ruhiger Atmosphäre erarbeiten werden. Das Highlight ist dann natürlich die Konstituierende Sitzung am 13. Mai zwischen 17 und 20 Uhr, wo wir in Anwesenheit von unserem Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum Satzung und Vorstand bestimmen werden und wozu alle Braunschweigerinnen und Braunschweiger, natürlich vor allem ihr, die Jugendlichen, herzlich in den Ratssaal im Rathaus eingeladen sind, um von der Besuchertribüne das Geschehen verfolgen zu können. Im Mai wartet noch etwas Besonderes: Die BundesJugendKonferenz in Berlin, wo wir an der Jugendstrategie der Bundesregierung aktiv mitwirken und mit ihr in den Austausch kommen können. Ich freue mich!

 

Zuletzt wartete dann noch eine Veranstaltung auf mich, die zwar nichts mit dem Braunschweiger Jugendparlament, aber mit Jugendpolitik zu tun hatte und an der ich selbstverständlich teilnahm: die Podiumsdiskussion der politischen Jugendorganisationen in der Aula der Gaußschule. Zu Gast waren meine Jungen Sozialisten (Jusos), die Junge Union (JU), die Grüne Jugend (GJ), die Jungen Liberalen (JuLis) und die Linksjugend (solid). Viele Aussagen fand ich dort sehr seltsam und möchte sie nun hier aufzählen und wiederlegen:

- Junge Union und Junge Liberale meinten, dass wir illegale Einwanderer konsequent abschieben sollten, um die Kommunen zu entlasten, erwähnten aber im gleichen Atemzug, dass wir mehr Arbeitskräfte bräuchten: Da haben die wohl vergessen, dass keiner ohne Grund nach Deutschland kommt und deshalb generell nicht abgeschoben werden sollte. Und angesichts des demokratischen Wandels sollten wir wissen, dass wir mehr Arbeitskräfte brauchen und uns darüber freuen, dass Migranten nach so einer schrecklichen Flucht bei uns arbeiten wollen und uns somit den „Arsch retten“, was überhaupt nicht selbstverständlich ist, und ihnen nicht noch mit Abschiebungsdrohungen einen reinwürgen.

- Die Junge Union stehe angeblich aktiv gegen die AfD und spreche sich gegen jegliche Zusammenarbeit mit ihr aus. Komisch finde ich es dann, dass einer Civey-Umfrage zu entnehmen ist, dass sich 36% der Unionsmitglieder eine größere Offenheit gegenüber der AfD in Fragen der Zusammenarbeit wünschen. Mehr sage ich dazu mal nicht.

- Die Junge Liberale fantasierte, dass man Klimaschutz ohne Verbote schaffen könne. Denken die JuLis wirklich, dass die Millionär*innen (bewusst gegendert) freiwillig auf den ÖPNV umsteigen und dabei auf ihre geschätzten Luxusschlitten verzichten?

- Zu aller Krönung kritisierte die solid noch, dass politische Mandatsträger an Demos gegen Rechts teilgenommen haben. Oh, mein Gott, wie schrecklich, dass sich unser Bundestagsabgeordneter für die Demokratie einsetzt (ironisch gemeint). Wie dumm ist das denn? Wir brauchen doch schließlich jeden, um zu zeigen, dass wir mehr sind und politische Mandatsträger können die Forderungen der Straße, unsere Forderungen, doch am besten an die zuständigen Verfassungsorgane bringen.

Danke an alle Lügner für den amüsanten Abend!

 

Nun aber freue ich mich darauf, mich für Euch und alle anderen Jugendlichen in Braunschweig einsetzen zu können und bin gespannt auf meine Arbeit!

 

Mit politischen Grüßen

Martino Rossi

 

 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen