Der 25.09. Ein Bericht von Anna Lenja Epp zum fünften
globalen Klimastreik
24. September 2020. Nun sitze ich also hier. Es ist 19.20
Uhr am 24. September 202
0. Ein Tag vor dem fünften globalen Klimastreik der
Fridays-for-Future-Bewegung. Nahezu alle Punkte auf meiner To-Do-Liste sind
abgehakt und trotzdem fühle ich mich merkwürdig gestresst. Außerdem beschleicht
mich das komische Gefühl, etwas vergessen zu haben. Unruhig sehe ich erneut auf
meine Liste: Nein, alles erledigt.
Aus dem Lautsprecher meines CD-Players dröhnt irgendwelche
Filmmusik, was die Atmosphäre in meinem Zimmer zusätzlich dramatisiert.
Mein Handy blinkt auf. Es ist eine Nachricht aus dem
Orga-Team. Ein Sharepic, genauer gesagt. „Globaler Klimastreik 25.09.,
16.00Uhr, Schlossplatz Braunschweig“ heißt es darauf. Eine Erinnerung an die
morgige Demo. Ich hätte sie auch so nicht vergessen können. Ein letztes Mal
gehe ich die Liste der Dinge durch, die ich morgen bei der Demo dabeihaben
muss:
• Mein total zugestickertes Megaphon, um mir Gehör zu verschaffen,
• Absperrband, um den Schlossplatz coronakonform
abzusperren,
• einen Zollstock, um gegebenenfalls Abstände nachzumessen
• und natürlich mein Demoplakat, das mich schon seit über
einem Jahr auf alle Demos begleitet. Ob es stürmt oder schneit (obwohl es
bisher auf keiner der Demos, auf der ich war, geschneit hat, ist wohl
selbsterklärend), mein Demoplakat ist immer dabei. Dementsprechend sieht es
leider mittlerweile auch schon aus. Die Farbe ist verlaufen, der mit Tusche
aufgepinselte Baum leicht verwischt. Trotzdem ist die Botschaft noch klar zu
erkennen: Geld ist nicht alles!
Alles ist gepackt und steht bereit. Nur der Zollstock hatte
bisher noch gefehlt. Doch auch dieser befindet sich jetzt zusammen mit dem
Absperrband in einem Jutebeutel. Der nächste Tag kann kommen. Und trotzdem
bleibt meine Aufregung auf dem gleichen Level wie vor dem Listen-Check. Da ich
erst seit Januar dieses Jahres Teil der braunschweigischen Ortsgruppe von
Fridays for Future bin, ist dies abgesehen vom 24.04., der ja als Lifestream
stattgefunden hat, mein erster globaler Streik. Da ist meine Aufregung wohl
einigermaßen verständlich.
Nicht einmal 24 Stunden später stehe ich, immer noch
aufgeregt, mit allem, was ich dabeihaben muss, auf dem Schlossplatz. Zusätzlich
zu mir sind bereits zwei andere Aktivistinnen da und die Band hat begonnen,
sich einzuspielen. Es ist kurz nach 14 Uhr am 25. September 2020, wir haben
noch etwa zwei Stunden Zeit, dann soll die Demo beginnen. Während wir langsam
immer mehr Leute werden, schleppen wir Stehtische durch die Gegend und bauen
sie auf. An ihnen sollen später Briefe an Politiker*innen geschrieben werden
können. Daneben tragen wir kleinere Tische, an denen Windräder und Drachen
gebastelt werden sollen. Damit sich die Menge nicht allzu sehr vermischt,
stellen wir dazwischen Absperrgitter. Auch das Absperrband ist bereits auf dem
Boden festgeklebt. Es ist 16.00 Uhr, die Demo beginnt.
Nachdem die freiwilligen Ordner*innen mit ihren Aufgaben
vertraut gemacht worden sind, eröffnet unser Versammlungsleiter die Demo mit
einer kurzen Sicherheitseinweisung. Danach spielt die Band ihr erstes Set und
ich wusele durch die Menge, um festzustellen, ob ich irgendwem unter die Arme
greifen kann. Schließlich lande ich bei Sprühflaschen, die mit Desinfektionsmittel
befüllt und beschriftet werden müssen, um die Bastelunterlagen und Stifte an
unseren Aktionspunkten desinfizieren zu können. Anschließend suche ich den
Wissenschaftler, der nach der Band eine Rede halten wollte. Ich stelle
erleichtert fest, dass er bereits neben der Bühne steht und wartet. Nach ihm
wird es eine Motivationsrede von einer Aktivistin aus unseren Reihen geben,
anschließend werden sich die zwei Demozüge (es gibt eine Lauf- und eine
Fahrraddemo) langsam auf den Weg machen.
Schließlich ist es 17.15 Uhr. Die Laufdemo ist bereits
losgelaufen, wir Fahrradfahrende haben uns auf der Südseite des Schlossplatzes
aufgestellt. Wir müssen langsam losfahren. Endlich sind alle da und wir setzen
uns in Bewegung. Zuerst geht es auf die Georg-Eckert-Straße, damit wir genug
Platz haben. Wir fahren die Museumsstraße entlang und biegen in die Parkstraße
ein. Von da aus gelangen wir auf die Jasperallee, wo uns unser Frontbanner
entgegenblickt. Die Laufdemo hat den Schlossplatz von der anderen Richtung aus
verlassen und ist über den Steinweg und am Theater vorbei ebenfalls auf die
Jasperallee gelangt. Hier laufen wir uns nun auf den verschiedenen
Straßenseiten entgegen, zwischen uns die Baumreihen. Gemeinsam machen wir
ordentlich Lärm. Ich rufe Demosprüche wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil
man uns die Zukunft klaut“ in mein Megaphon. Es hallt aus der Menge zurück. Von
den vielen verschiedenen Demosprüchen, die durch die Luft fliegen, ist einzeln
nicht sonderlich viel zu verstehen, doch insgesamt ist mehr als deutlich, was
wir meinen. Der Moment ist schnell vorbei, wir fahren weiter.
Unser Weg führt uns einmal quer durch die ganze Stadt, am
Kohlekraftwerk vorbei und wieder zurück. Während wir daran vorbeifahren, werden
wir nochmal lauter und rufen „Nie, nie, nie wieder Kohle“ und „Apfelsaft statt
Kohlekraft“. Der letzte Spruch ist eigentlich ein Scherz. Bei irgendeiner Demo
hat ihn ein noch etwas kleineres Kind gerufen und jemand hat ihn übernommen.
Seitdem schallt er auf so ziemlich jeder Demo über den Schlossplatz und durch
die Straßen.
Schließlich sind wir wieder vor dem Schloss. Der andere
Demozug ist noch unterwegs, kommt aber kurze Zeit später an. Es wird noch eine
Rede von unserem Arbeitskreis Forderungen gehalten, dann klingt die
Demonstration langsam aus. Ich sitze in einem Pavillon, wo Demonstrant*innen
sich gegen eine Spende Buttons mit unserem Logo mitnehmen können. Immer mehr
Leute gehen und lassen den leeren Schlossplatz zurück.
Die anderen aus dem Orga-Team und ich beginnen, alles
aufzuräumen, was wir vorher aufgebaut haben. Die Demo ist vorbei, der Tag geht
zu Ende.
Mittlerweile ist es knapp 20.00 Uhr. Ich fahre erschöpft
aber zufrieden nach Hause. Meine Aufregung legt sich. Der Tag war lang, doch
ich finde, dass sich der ganze Aufwand definitiv gelohnt hat. Jetzt muss nur
noch die Energiewende klappen.