Gerechtigkeit als Bedrohung? Anna Lenja Epp über Feminismus.
Zunächst einmal stellt sich die Frage, was Feminismus eigentlich ist. Grundsätzlich gibt es hier viele verschiedene Definitionen, die viele verschiedene Menschen erstellt haben. Es gibt nicht die eine Definitionen, der alle Feminist*innen folgen. Grundsätzlich geht es ja auch genau darum: dass alle Menschen gleichermaßen über sich selbst und ihr jeweiliges Leben entscheiden können.
Leider ist dies gegenwärtig noch nicht für alle Menschen aller Gender der Fall („Gender“ meint das soziale Geschlecht; dies muss nicht mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen): Immer noch werden Menschen aufgrund ihres Genders diskriminiert und anders behandelt als andere. Konkret betrifft dies FINTA*-Menschen. Dabei ist „FINTA*“ eine Abkürzung für „female, inter, non binary, trans* und agender“ und beschreibt alle nicht cis-männlichen Menschen. Cis-Männer sind Personen, denen bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, und die sich damit identifizieren. Sie erfahren dadurch bewusst oder unbewusst Privilegien, die anderen Menschen nicht zuteil werden - und genau das ist das Problem: Es ist absolut ungerecht, dass FINTA*s diese Privilegien nicht haben und deshalb für die gleichen Ziele oft stärker kämpfen müssen.
Hiergegen lehnt sich der Feminismus auf. Gegen diese Ungerechtigkeiten, die sich auch im Alltag immer und immer wieder zeigen, mal mehr oder weniger offensichtlich, mal mehr oder weniger so gemeint. Sexismus (sozusagen das Gegenteil von Feminismus) kann sich also auf ganz verschiedene Weisen äußern. Nicht erst in verbaler oder körperlicher Gewalt, sondern bereits in überholten Denkmustern, die Menschen dazu bewegen, FINTA*s weniger zu respektieren oder weniger ernst zu nehmen. Denn bereits das schränkt FINTA*s in ihrem Handeln und ihrer Entscheidungsgewalt ein.
Dementsprechend reicht es nicht aus, Männer und Frauen vor dem Gesetz gleichzustellen. Es braucht ein Umdenken in der Gesellschaft. Die Gesellschaft besteht momentan in Form eines Patriarchats, also einer Gesellschaftsform, die cis-Männer gegenüber FINTA*s bevorzugt und ihnen eine besondere Stellung einräumt. Die Existenz des Patriarchats ist der „bestehende Nachteil“, den es auszuräumen gilt. Es führt dazu, dass FINTA*s im Allgemeinen schlechter bezahlte Jobs annehmen müssen, dass ihnen automatisch Rollen zugewiesen werden, ob sie wollen oder nicht, dass sie weniger ernst genommen werden als ihre cis-männlichen Mitstreiter.
Mit dem Kampf gegen dieses sexistische Konstrukt soll erreicht werden, dass Menschen aller Gender die gleichen Optionen haben. Dies bedeutet nicht, dass cis-Männer deshalb weniger Möglichkeiten hätten. Vielmehr erhalten FINTA*s ganz einfach mehr und somit die gleichen Chancen. Feminist*innen wollen cis-Männern also grundsätzlich nichts wegnehmen. Leider ist dies trotzdem ein häufiger Vorwurf beziehungsweise eine Art Abwehrreaktion, wenn es um Feminismus geht, jedoch schlichtweg falsch. Wird bei Jobs mehr auf Qualifikation und weniger auf das Gender geachtet, ist dies für cis-Männer nur ein „Nachteil“, wenn sie schlechter qualifiziert sind. Allerdings sollten sie sich wohl Gedanken über ihr Selbstbildnis machen, wenn sie Gerechtigkeit als Bedrohung wahrnehmen.
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