Gebrabbel allerorten. Henrike Sprengel besuchte mit dem Deutsch-Leistungskurs den Vortrag "Skandal
im Medienbezirk" im Rahmen der Ringvorlesung Germanistik an der TU Braunschweig
Lautes
Gemurmel alter Menschen. Etwa 50 Personen hatten sich
in dem Hörsaal versammelt – und das Durchschnittsalter wurde durch
die Anwesenheit unseres Deutsch-Leistungskurses drastisch angehoben.
Ein Beamer brummte sich warm, um bei der Präsentation sein bestes zu
geben. Das Thema:
Skandal
im Medienbezirk oder: Amüsieren wir uns zu Tode?
Zur
Boulevardisierung der Sprache im deutschen Gegenwartsfernsehen
Kurz gesagt: Mediensprache und wie sie sich im Laufe der Jahre
verändert hat. Dr. Katja Franke führte uns in dieses Thema mit
einer Analyse des deutschen Fernsehprogrammsein. Es fielen Begriffe
wie: Daily Soaps, Daily Talk, Kochshows. Es seien
Unterhaltungsformate, die weniger auf Informationsvermittlung als auf
reine Bespaßung
des Publikums ausgerichtet seien. Dabei spiele die Boulevardisierung
eine große Rolle (kurz gesagt: die Mediensprache, wie sie die
Informationen mit einer Verpackung verkleidet), welche vielen
schlecht und in den USA sogar „schmutzig“ erscheint, aber dennoch
vor dem seriösen Fernsehen von großen Teilen der Bevölkerung
bevorzugt werde.
So
sind für die jüngeren Generationen Fernsehsender wie Sat1, Pro7 und
RTL – stark boulevardisierte Sender – sehr populär, die sich in
einem Großteil ihres Programms auf Unterhaltung (wie Serien und
Filme) und Infotainment (wie Reality-TV und Soaps) beschränken, aber
nur einen kleinen Teil mit Nachrichten und Wetter füllen. Denn
Themen wie Gesundheit, Sex, Tod, Familie, Lebensweise, soziale
Beziehungen und Gesellschaft erleichtern das Sehvergnügen der
reichhaltigen Zuschauerschaft deutlich, genauso wie die
Informalisierung (d. h. die Merkmale eines serösen Fernsehsenders [Formalität] werden durch die eines
unseriösen [= Informalität] ersetzt): Dies ist ein Entwicklungsprozess der
Gegenwartsmedien auf sprachlicher Ebene,
in dem sich die Hochsprache in Umgangssprache
wandelt. Durch diese Veränderung ist das Medium Fernsehen dem
Zuschauer deutlich näher gerückt und der Prozess der Identifikation
deutlich einfacher geworden.
Im
Kontrast dazu stehen die seriösen Fernsehsender wie ZDF und ARD, die
ein sehr ausgeglichenes Fernsehprogramm vorzeigen können, bei dem
sich Informations-Sendungen, Infotainment und Unterhaltung die Waage
halten. Diese Sender sind nicht boulevardisiert und zeigen bspw. im
Diskurs ein hohes Maß an struktureller Komplexität, bewusster
Sprachkontrolle und -planung (wie redaktionelle
Vorproduktion).
Zusammenfassend
kann gesagt werden, dass sich die unseriösen Fernsehsender mehr auf
Spontaneität, Reduktion der Informationsdichte und den Anklang bei
vielen (sprich: die Anpassung an die heutige Zeit), die seriösen
Sender aber auf Neutralität, Kontrolle und Struktur spezialisiert
haben.
Viel
Information; viel Zeit. Ein wenig zu lang für den Geschmack
vieler – vor allem derer, die beschlossen hatten, die Veranstaltung
schon früher zu verlassen – aber auch derer, die es durchhielten
und auf eine Wende der Ereignisse hofften. Der sehr statische Vortrag
von Dr. Franke war zwar mit Beispielen, Videomaterial und einer
konstant präsenten Power-Point-Präsentation untermalt, wirkte aber
auf die Dauer einschläfernd. Die Inhalte wiederholten sich und
auch die Aufmerksamkeit wurde – für den ein oder anderen Geschmack
– zu stark strapaziert. Es war wohl sehr informativ, doch waren die
Erwartungen anderer Art gewesen: dynamischer Vortag mit Abwechslung,
Miteinbezug und Beanspruchung des Publikums.
So
ist von dieser exemplarischen Ringvorlesung nicht auf alle anderen zu
schließen, doch wurde der Drang, noch weitere zu besuchen, deutlich
gemindert. Trotzdem einen Dank an Dr. Franke für diesen Vortrag, der
uns in vieler Hinsicht die Welt der modernen Mediensprache – leider
gespickt mit vielen (großenteils englischen) Fremdwörtern – näher
gebracht hat.
Wertung:
Zum gesellschaftskritischen Hintergrund des Themas empfiehlt die WGtarier-Redaktion Neil Postmans Klassiker "Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie"(1985). Daraus zwei Kostproben:
"Problematisch am Fernsehen ist nicht, dass es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, dass es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert.""Fernsehen wurde nicht für Idioten erschaffen – es erzeugt sie."
Neil Postman (1931-2003) |
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