Finja Juschkat und Julia Duschek haben sich Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ in der heftig diskutierten Inszenierung von Daniela Löffner angesehen – eine Fassung, die nicht zuletzt durch ihre Modernität besticht.
„Begeisterung und Empörung“, „Löffner-Inszenierung polarisiert“, „Spielzeit-Start spaltet das Publikum“. Diese und ähnliche Überschriften waren in regionalen Zeitungen nach der Premiere zu lesen.
Ausschlaggebend für die lauten Buh-Rufe und die verärgerten, den Ausgang suchenden Besucher war die Schlüsselszene. Eine Szene, die sichtlich schockt. Die aber auch schocken soll.
War es im Original nur ein durch von Wurm (Oliver Simon) erzwungener Liebesbrief von Luise (Rika Weniger) an den Hofmarschall Kalb (Sven Hönig), der Ferdinand (Philipp Grimm) und sie endgültig auseinanderbringen sollte, wird daraus in Löffners Inszenierung ein sexueller Missbrauch, bei dem Luise von Hofmarschall Kalb, der von der Bürgerlichen angewidert ist, vergewaltigt wird. Dies alles in Anwesenheit Wurms, der das Geschehen masturbierend mit der Polaroid-Kamera dokumentiert.
Es ist das zeitlose Thema „Machtmissbrauch“, welches in Gestalt des machtgierigen Ministers Walter (Moritz Dürr) aufgegriffen wird, wenn dieser in der zugespitzten Darstellung seinen Sohn Ferdinand während des Erziehungstrainings dazu zwingt, einen „Kinderchor, Demonstrationszug und Schwangere“ skrupellos zu erschießen. Nicht nur zu Zeiten Schillers aktuell, sondern auch noch heute, wird an dieser Stelle die Auffassung vermittelt, dass Verantwortung eine unerlässliche Folge aus Macht und Reichtum ist.
Hierbei und inmitten des Ganzen befindet sich außerdem die zunächst intrigant wirkende Lady Milford (Theresa Langer), die lieber unbemerkt von Innen her das Geschehen steuert. Während alle bis auf Ferdinand in Juwelen und Schmuck baden und im Exzess ihres Bestrebens nach Reichtum gar nichts mehr mitbekommen, lässt sie sich auf die Nähe eines Mannes, den sie verabscheut, ein, um politisch Gutes zu tun. Dabei erweckt sie den Anschein einer Hoffnungsträgerin, die letztendlich aber an ihrer Liebe zu Ferdinand scheitert.
Ferner vertritt Hofmarschall Kalb, der bei seinen Auftritten geradezu von Kameramännern und Fotografen umzingelt wird, zweifellos die Dekadenz und den Luxus in der Inszenierung, wobei er sich durch die öffentliche Aufmerksamkeit erst lebendig zu fühlen scheint.
Auf der anderen Seite gibt es die bürgerliche Familie, bei der es fast so chaotisch zugeht, wie im normalen Alltag. Vor allem Luises Vater Miller (Hans Werner-Leupelt) sorgt für angenehme Witze zwischendurch. Von Anfang an sympathisiert man mit ihnen, denn dort existieren noch Werte, Moral und Glaube.
Die allgegenwärtige Macht einer göttlichen, das menschliche Geschick lenkenden Instanz wird dabei in dem abstrahierten Bühnenbild abgebildet. Die Figuren bewegen sich in einem geschlossenen Zirkel, in dem keine Veränderung möglich ist und der einzige Ausgang oben und damit der Himmel bzw. der Tod ist.
Es ist das Spannungsfeld zwei verschiedener Arten von Liebe. Der Liebe zu einem Menschen und zu den eigenen Eltern, die in Schillers Stück unvereinbar sind und für Konfliktpotential sorgen – „Liebe gegen Liebe“, so nennt es Löffner selbst.
Folglich müssen also Luise und Ferdinand, durch dessen ungebremste Eifersucht und sein Unvermögen, im Leben eine gemeinsame Freiheit zu finden, sterben, sodass beide Väter am Ende allein dastehen. Nicht zuletzt ist vielleicht dies ein Aufruf zu mehr gegenseitiger Akzeptanz, war doch das Scheitern Luises und Ferdinands Beziehung auch der Erziehung ihrer Väter geschuldet. Vielleicht auch ein Appell zur gegenseitigen Vergebung.
Kabale und Liebe auf den Seiten des Staatstheaters
Kabale und Liebe
Kabale und Liebe - Bilder
Kabale und Liebe - Video
– Luise und Ferdinand
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen