Freitag, 16. Juli 2021

Kommunalwahl 2021: Die Linke

Sozial, ökologisch, fair und pazifistisch. Louis Ostrowski befragt Anke Schneider, Kandidatin der Partei Die Linke für das Amt der Oberbürgermeister:in.


Am 12. September 2021 wird in Braunschweig gewählt: die oder der Oberbürgermeister:in, der Rat der Stadt und die Stadtbezirksräte. Alle, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sind wahlberechtigt. Um euch bei der Entscheidung zu unterstützen, veröffentlichen wir in loser Folge Interviews, in denen die Parteien ihre Standpunkte erklären können. Die Texte erscheinen in der Reihenfolge, wie sie bei uns eingegangen sind.

1. FDP
2. Die Partei
3. Die Linke
4. BIBS
5. AFD
7. Volt
8. CDU, Die Grünen, SPD: Diese drei Parteien haben wir mehrfach angeschrieben. Antworten auf unsere Fragen haben wir leider nicht erhalten.





Beschreiben Sie Ihre Partei in höchsten zwei Sätzen.
DIE LINKE ist die Partei der sozialen Sicherheit, des sozial-ökologischen Umbaus zu einer nachhaltigen Gesellschaft, fairer Arbeitsbedingungen und einer konsequent friedlichen Außenpolitik.

Wir wollen Sicherheit und Zukunft für die Mehrheit der Menschen im Land, denen angst und bange wird, wenn sie an ihr Einkommen, die Miete, die Stromrechnung oder an das Alter denken.


Was ist das wichtigste aktuelle Ziel Ihrer Partei?


DIE LINKE fordert eine einmalige Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre zur Finanzierung der Kosten der Corona-Krise.

Die Corona-Krise wird den deutschen Staat schätzungsweise etwa 1,5 Billionen Euro kosten. Die Bundesregierung will die zusätzlich aufgenommenen Schulden zeitnah zurückzahlen, aber die Schuldenbremse soll ab 2022 wieder gelten. Die Folgen wären also massive Steuererhöhungen für die Normalbürger:in oder massive Kürzungen beim Sozialstaat und bei notwendigen Investitionen, z. B. in den Klimaschutz.

Allein die 119 Milliardäre in Deutschland haben während der Krise einen Zugewinn von etwa 100 Milliarden Dollar erzielt. Das reichste Prozent der Bevölkerung vereint 35 Prozent des Vermögens auf sich. Die geplante Vermögensabgabe würde die reichsten 0,7 Prozent der Bevölkerung treffen.


Wie setzen Sie sich für Bildung ein?

DIE LINKE tritt ein für eine gute, gebührenfreie und für alle zugängliche Bildung von der Krippe über Ausbildung und Studium bis zur Weiterbildung. Bildung soll die Grundlagen für ein selbstbestimmtes, solidarisches Leben, für aktive Teilhabe an der Gesellschaft und demokratisches Engagement schaffen.

Im Sinne der Chancengleichheit ist das Ziel unserer Schulpolitik eine Gemeinschaftsschule, die als inklusive Schule des gemeinsamen Lernens auf die Aufteilung von Lernenden verzichtet und alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von persönlichen und sozialen Voraussetzungen zum bestmöglichen Lernfortschritt und zum höchstmöglichen Schulabschluss zu führt.

In Braunschweig haben wir uns für die Einrichtung der 5. und 6. IGS eingesetzt und werden weitere Gesamtschulen fordern, um die stetig steigende Nachfrage zu decken. Wir setzen uns für ausreichende, ansprechende Räumlichkeiten, eine moderne, zeitgemäße Ausstattung, eine angemessene Instandhaltung und Reinigung der Schulen sowie genügend Sportanlagen ein – für all dies ist die Kommune zuständig.

Jegliche Privatisierung inklusive Public Private Partnership (PPP) Projekte und Sponsoring im Bildungswesen lehnen wir ab.


Die Digitalisierung von Schulen geht ja ziemlich langsam voran. Was möchten Sie ändern, um die Digitalisierung voranzutreiben?

Die IT-Infrastruktur aller Schulen muss schnellstens mit schnellen und leistungsfähigen Breitbandanschlüssen, WLAN für alle und einer zeitgemäßen Hard- und Software-Ausstattung ausgebaut werden. Die IT-Infrastruktur an Schulen soll durch Fachpersonal betreut werden. Entsprechende Planstellen sind kurz- und mittelfristig zu schaffen.

Die Digitalisierung von Schulen darf nicht privaten Sponsoren überlassen werden. Die Ausstattung mit elektronischen Geräten sowohl der Lernenden als auch der Lehrenden ist Sache des Staates. Wir fordern ein Bundesprogramm über 50 Milliarden Euro für die Sanierung und Digitalisierung von Schulen.

Der Zugang zu Bildung ist in Deutschland stark von der sozialen Herkunft abhängig. Die Corona-Krise hat dieses Problem verschärft. Während manche Kinder ein eigenes Zimmer und ein Laptop zum Lernen haben, müssen sich andere beides mit Geschwistern teilen oder Aufgaben auf dem Handy lösen und hoffen, dass das Datenvolumen zum Herunterladen reicht. Jedes Kind muss einen Computer, Drucker und Internetanschluss zu Hause zur Verfügung haben. Das Geld ist da: Der DigitalPakt Schule der Bundesregierung sieht 5 Milliarden Euro für digitale Ausstattung vor. Bisher wurde nur ein Bruchteil abgerufen. Das muss sich ändern.

Das hybride Lernen darf nach der Corona-Krise nicht den schleichenden Abbau von Lehrkräften zur Folge haben.


Wie steht Ihre Partei zum Klimawandel/Wie wollen Sie die Erderwärmung bekämpfen?

Wir stehen zu dem Ziel, dass die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad begrenzt werden muss. Wir wollen den Kohleausstieg bis 2030 und einen deutlich schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Uns ist bewusst, dass dafür sowohl auf Bundesebene als auch auf kommunaler Ebene sehr große Anstrengungen notwendig sind.

Aber wir akzeptieren nicht, dass die Finanzierung einfach durch eine CO2-Steuer erfolgt, so dass viele Mieter:innen dem Anstieg der Heizkosten hilflos ausgeliefert sind oder Menschen sich Mobilität nicht mehr leisten können. Die Reichsten müssen die Klimakrise zahlen. Sie haben den größten ökologischen Fußabdruck. Wir wollen eine sozial-ökologische Wende, die niemanden zurücklässt.

Einige Schlaglichter:

Wir brauchen öffentliche Investitionen, damit die Gesellschaft sich sozial und ökologisch entwickeln kann. Die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse und muss gestrichen werden. Wir brauchen eine grüne Null statt einer schwarzen Null!

Unsere Ziele sind u. a. warmmietenneutrale Gebäudesanierungen, die Bürger- statt Renditebahn, mehr öffentlicher Nahverkehr, intelligente Verkehrssysteme, regenerative Energien und Energieeffizienz. Investitionen der Europäischen Zentralbank müssen in den ökologischen Umbau der Industrie fließen und nicht in die Rettung von Banken. Dies würde Vollbeschäftigung, Jobs mit Zukunft und Alternativen für die Mehrheit schaffen.

Die konzerngetriebene Globalisierung sowie Krieg und Rüstung sind Klimakiller. Wir brauchen mehr regionale Produktion statt ungehemmten Freihandel, der Güter rund um den Globus schickt.

In Braunschweig setzen wir uns ein für einen gut ausgebauten ÖPNV zum Nulltarif, sichere Radwege, Velorouten und Radschnellwege, eine starke Beschleunigung des Photovoltaik-Ausbaus, Ausbau und Modernisierung des Fernwärmenetzes (Niedertemperatur, dezentrale Einspeisemöglichkeiten) sowie Nahwärmenutzung, hohe Energiestandards für Neubauten und eine warmmietenneutrale Sanierung des Gebäudebestandes.


Was möchten Sie in Zukunft in der Politik ändern?

Wir setzen auf ausschließlich sozialversicherungspflichtige, unbefristete, gerecht entlohnte Arbeitsverhältnisse. Leiharbeit und Werkverträgen wollen wir enge Grenzen setzen, eine Tarifbindung für alle Unternehmen und Branchen, einen Mindestlohn von 13 Euro und eine 30-Stunden-Arbeitswoche.

Das Hartz-IV-System wollen wir abschaffen und es ersetzen durch eine bessere Erwerbslosenversicherung und eine bedarfsgerechte individuelle Mindestsicherung ohne Sanktionen.

Wir wollen alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen und das Rentenniveau wieder auf 53 % anheben, damit niemand im Alter Flaschen sammeln muss.

Unser Zwei-Klassen-Gesundheitssystem wollen wir durch eine solidarische Gesundheitsvollversicherung ersetzen, in die alle einzahlen und in der Beiträge auf alle Einkommensarten (auch Kapitaleinkommen) erhoben werden. Ebenso wollen wir eine Pflege-Vollversicherung einführen. Krankenhäuser gehören – wie alle Einrichtungen der Daseinsvorsorge – in die öffentliche Hand.

DIE LINKE will einen bundesweiten Mietendeckel. Dem rasant zunehmenden Mangel an Sozialwohnungen wollen wir mit einem Programm über 15 Milliarden Euro im Jahr begegnen – indem wir den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau ankurbeln und einen nicht profitorientierten Wohnungssektor aufbauen.

Die LINKE will den Spitzensteuersatz wieder auf 53 Prozent anheben und Kapitalerträge (z. Z. nur mit 25 % versteuert) wieder genauso besteuern wie Erwerbseinkommen. Sie fordert eine Vermögensteuer für Privatvermögen von mehr als 1 Mio. Euro pro Person (Freibetrag). Der Eingangssteuersatz der Vermögensteuer startet bei 1 Prozent und steigt auf 5 % bei Vermögen ab 50 Mio. Euro an.


Was möchten Sie speziell in Braunschweig machen/ändern?

DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die zukünftige Entwicklung unserer Stadt nicht im Sinne der Wenigen, die viel besitzen, verläuft, sondern im Sinne der Vielen, die die Stadt mit Leben füllen. Wir wollen die Stadt so gestalten, dass sie jeder und jedem, unabhängig von Einkommenssituation, Herkunft, Geschlecht, Alter, familiärer Situation, Bildungsstand, Hautfarbe oder sexueller Orientierung die bestmöglichen Bedingungen für ein Leben in Würde, für ein gutes Leben bietet. Dazu gehören z. B. bezahlbarer Wohnraum inklusive bezahlbarer Nebenkosten, Mobilität, Chancengleichheit in der Bildung, eine gute Kinderbetreuung, Sport- und Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten, eine gesunde Umwelt, aber auch Unterstützung für all diejenigen, die in unserer Gesellschaft zu den Benachteiligten gehören und Hilfe brauchen.

Eine solche Politik ist der LINKEN wichtiger als eine „Schwarze Null“ im Haushalt. Wir setzen uns für die Stärkung der Demokratie in der Kommune ein und kämpfen gegen jegliche Privatisierung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge, da diese damit der politischen Gestaltung entzogen werden.

DIE LINKE will

  • keine weiteren Privatisierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, stattdessen Rekommunalisierung der privatisierten Bereiche (Energieversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung, Straßenreiniguung, Lichtsignalanlagen, Beleuchtung), keine PPP-Projekte
  • den Bürgerhaushalt wieder einführen
  • die Schaffung bezahlbaren Wohnraums durch die Erhöhung der Quote für den sozialen Wohnungsbau von 20 auf 30 Prozent und eine Stärkung der städtischen Wohnbaugesellschaft Nibelungen
  • eine Zweckentfremdungssatzung, um gegen Leerstand von Wohnraum vorgehen zu können
  • eine Milieuschutzsatzung, um die Verdrängung der angestammten Mieter:innen bei Modernisierungen zu verhindern
  • ein bedarfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuung (Krippe, Kindergarten und Schulkinderbetreuung) sowie Gebührenfreiheit auch für Krippenplätze und Schulkindbetreuung
  • ein kostenloses, öffentlich finanziertes Mittagessen für alle Kinder an jeder Schule und in jedem Kindergarten
  • kostenloses Schulmaterial für Kinder von Geringverdiener:innen und Hartz-IV-Empfänger:innen
  • keine Werbung für die Bundeswehr an den Schulen
  • den Bau eines zusätzlichen Hallenbades im Westen von Braunschweig
  • den weiteren Ausbau jugendspezifischer Angebote wie der Kinder- und Jugendzentren sowie die Zurverfügungstellung von Proberäumen und weiterer geeigneter Flächen für Sprayer
  • eine stärkere Förderung für freie Künstler und Theaterschaffende sowie der freien Theater, Musik- und Filmgruppen
  • überdimensionierte Verkehrsflächen für den KFZ-Verkehr – auch den parkenden – zurückbauen, den ÖPNV ausbauen, zügig sichere Radwege, Velorouten, Radschnellwege und Abstellanlagen bauen, den Fußverkehr, Carsharing- sowie Lastenräder-Verleihangebote fördern und den KFZ-Verkehr weitgehend aus der Innenstadt verbannen
  • ein kostenloses Schülerticket, das Mobilticket erhalten und verbessern, langfristig einen ÖPNV zum Nulltarif
  • höhere energetische Standards bei Neubauten, eine warmmietenneutrale Sanierung von Altbauten
  • verhindern, dass Haushalten Strom oder Gas abgestellt wird, weil sie die die steigenden Energiekosten nicht mehr tragen können
  • den Photovoltaik-Ausbau forcieren, das Fernwärmenetz ausbauen, modernisieren und effizienter machen, um dezentrale Einspeisungen um Nahwärmenetze ergänzen
  • eine Baum- und Gehölzschutzsatzung, Flächen-Entsiegelung und Pocket-Parks
  • gleiche Rechte für People of Color, Zugewanderte und Geflüchtete gewährleisten
  • eine tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter in sämtlichen Lebensbereichen sicherstellen und die breite Akzeptanz von LSBTIQ* fördern
  • die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle, an die sich u. a. Betroffene von Diskriminierung, rechter Bedrohung oder Gewalt wenden können
  • die volle gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gewährleisten und die Rolle des Behindertenbeirates stärken

Was zeichnet Ihre Partei im Gegensatz zu den anderen Parteien aus?

DIE LINKE will die Wirtschaft einer solidarischen Entwicklung und dem Erhalt der Natur unterordnen, sie setzt auf einen sozial-ökologischen Umbau zu einer nachhaltigen Entwicklung anstelle profitorientierten Wachstums. Unser Gesellschaftsmodell ist ein ökologischer und demokratischer Sozialismus.

DIE LINKE steht für eine konsequent friedliche Außenpolitik. Sie lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr ab und will Rüstungsexporte verbieten.

Wir sind die Adresse im Parlament, die frei von Konzern- und Lobbyinteressen ist. Wir geben denen eine Stimme, die von den anderen Parteien überhört werden.

DIE LINKE akzeptiert keine Unternehmensspenden, kein Parteiensponsoring und keine privaten Großspenden. Die Abgeordneten der LINKEN erklären, dass sie keine Spenden oder Geschenke von Lobbygruppen oder Großunternehmen annehmen und alle Nebeneinkünfte offenlegen.





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