Dienstag, 3. September 2019

Interview: Pater Fritz Wieghaus

Gott- und Selbstvertrauen. Pater Fritz Wieghaus vom Dominikanerkloster St. Albertus Magnus Braunschweig im Gespräch mit Jan-Marten Kleine-Besten

Pater Fritz Wieghaus.
Wie wird man eigentlich ein Pater?
Pater ist ein Priester im Orden. Man wird in die Gemeinschaft des Ordens nach einem Probejahr aufgenommen, das nennt sich Noviziat nennt. Danach lege ich ein Versprechen ab über drei Jahre und später kann ich mich für immer an das Klosterleben binden. Mit der Priesterweihe darf ich mich dann Pater nennen.

Hatten sie im Leben ein Schlüsselerlebnis, nachdem der Wunsch entstanden ist Pater zu werden?
Ich war auf einer Schule, die von Dominikanern geleitet wurde, und habe ganz konkrete Dominikaner kennengelernt. So ist der Wunsch entstanden, selber dieser Gemeinschaft beizutreten. Es gab also kein Schlüsselerlebnis, sondern es ist langsam erwachsen.

Wie war das Gefühl als sie zum Priester geweiht wurden?
Ich kann mich sehr gut an die Priesterweihe erinnern. Das war im Rheinland, es war eine schöne Feier. Wir waren vier junge Mitbrüder, die geweiht wurden. Es war das Ziel meiner theologischen Ausbildung gewesen. Ich konnte dann anschließend nach Braunschweig gehen, um das anzuwenden, was ich im Studium gelernt hatte.

Wie sieht der Alltag als Pater aus, und freuen sie sich manchmal, wenn der Tag endlich geschafft ist?
Mein Arbeitsalltag ist sehr geprägt durch meinen Terminkalender. Es gibt traurige Anlässe, wie z. B. Beerdigungen, die dabei sind. Es gibt aber auch frohe Anlässe, wie z. B. Taufen, Hochzeiten. Es gibt ganz andere Arbeitsbereiche, die Kinder- und Jugendarbeit, den Alltag, wie die sonntäglichen Gottesdienste. Der Arbeitsalltag sieht bei mir also jeden Tag anders aus, auch wenn es immer wieder gleiche Elemente sind, die ein priesterliches Leben prägen, und es gibt auch manchmal Tage, die so gefüllt sind, dass ich abends froh bin, wenn der Tag vorbei ist, und die Füße einfach hochlegen kann.

Benutzt man als Pater auch moderne Elektronik, wie z. B. Smartphones, Computer oder Tablets?
Ja, die gehören heutzutage selbstverständlich zu unserem Alltag. Jede Predigt schreibe ich am Computer. Gerade mit den Kindern und Jugendlichen unserer Gemeinde wird viel per E-Mail geklärt. Es gibt aber manches, was ich noch nicht mache, was ich nicht nutze, ich nutze z. B. kein Facebook.

Die Kirche des Klosters St. Albertus Magnus.
Wie oft wird am Tag gebetet?
In der Gemeinschaft beten wir jeden Morgen um 07:30 Uhr das Morgengebet in der Kirche, anschließend frühstücken wir gemeinsam. Jeden Dienstag feiern wir als Gemeinschaft eine Heilige Messe. Weitere Gebetszeiten gibt es in der Gemeinschaft hier in Braunschweig nicht. Die übrigen Zeiten sind frei zu gestalten.

Muss man bestimmte Gesänge oder Gebete heutzutage noch auswendig auf Latein können?
Es gibt eine Reihe von Gesängen und Gebeten, die ich auswendig kann, nicht weil ich es muss, sondern weil ich sie schon so oft gebetet habe, dass ich sie einfach auswendig kann. Wie ein Kommunionkind das Vaterunser am Ende kennt, weil wir es jedes Mal beten, ist es bei uns im Kloster so, dass es lateinische Gesänge gibt, das „Salve Regina“, das wir nach jeder Vesper singen. Das singe ich schon über 35 Jahre, da brauche ich kein Blatt, das kann ich einfach auswendig.

Wie sieht die Fastenzeit bei Ihnen aus?
Die Fastenzeit hat bei uns besonders eine religiöse Bedeutung. Es geht einerseits darum, dass jeder für sich überlegt, worauf er verzichten möchte. Das kann ganz Unterschiedliches sein. Klassisch ist es ganz oft so, dass jemand sagt, ich verzichte auf den Alkohol, aber die Anregung zur Fastenzeit kann ich auch positiv formulieren: Wo möchte ich in dieser Zeit etwas besonders Gutes tun, oder ich nehme mir etwas vor, was mir sonst schwerfällt. Es geht also um einen Vorsatz, einem anderen Menschen etwas Gutes zu tun.

Blick in den Innenraum der Kirche.
Ist es immer noch Vorschrift, dass Patres vor der Kommunionsausteilung nichts essen dürfen, oder gibt es dort mittlerweile eine Handlungsfreiheit?
Diese Vorschrift gab es früher für alle katholischen Christen, also nicht nur für die Patres. Die Generation deiner Großeltern kennt das vermutlich noch. Ich selber habe das nicht mehr kennengelernt, obwohl ich jetzt schon 61 Jahre alt bin. Diese Vorschrift ist mit dem zweiten Vatikanische Konzil 1965 abgeschafft worden, und zwar für alle Christen.

Wie gestaltet sich das Leben als Pater im Ruhestand, bleibt man weiterhin in seinem Kloster wohnen?
Ja, als Pater lebt man in einem Kloster, auch wenn man keine beruflichen Verpflichtungen mehr hat. Es ist so, wie früher in meiner Familie, die Großeltern haben mit bei uns gewohnt. Heute gibt es andere gesellschaftliche Formen, aber jemand, der in ein Kloster eingetreten ist, bleibt dort ein Leben lang. Es ist für uns eher eine Freude, wenn mehrere Generationen unter einem Dach leben. Deshalb wohnen auch die Senioren bei uns mit im Kloster. Manchmal ist es so, wie es meine Großeltern in der Familie auch getan haben, dass die älteren Mitbrüder uns im Kloster helfen.

Wie ist es, in einem Kloster in einer Stadt zu leben?
Das ist eine sehr interessante Frage. Wir Dominikaner sind im 12. Jahrhundert gegründet worden, und bis dahin wurden die Klöster in der Regel auf dem Land gegründet. Man hat sich ein schönes ruhiges Plätzchen auf einem hohen Berg oder in einem tiefen Tal ausgesucht. Das war das Ideal der Abgeschiedenheit. Das neue bei uns Dominikanern war im 12. Jahrhundert, dass unser Ordensgründer die Klöster mitten in den Hauptstädten der damaligen Zeit gegründet hat. Also leben Dominikaner seit der Gründung des Ordens immer schon in Städten. Das ist bewusst intendiert. Die Dominikaner sollen studieren, sind oft an den Universitäten präsent, und deshalb liegt ein Dominikanerkloster meistens mitten in der Stadt.

Der Kirchenvorplatz.
Möchten heutzutage noch viele Menschen Pater werden, oder gibt es auch Nachwuchssorgen?
Es gibt Nachwuchssorgen. Wir können nicht alle Klöster behalten, weil wir einfach zu wenige sind. Es gibt aber Menschen, die nach wie vor zu uns kommen. Jedes Jahr kommen vielleicht ein, zwei junge Menschen, die anfragen. Es bleiben aber nicht alle, denn man kann sich in der Phase der Ausbildung nochmal überlegen, ob man sein Ziel beibehalten möchte. Aber insgesamt werden wir weniger. Wir freuen uns über jeden, der sich entscheidet, diesen Weg zu gehen.

Was würden Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben?
Ich wünsche den jungen Menschen ein gesundes Selbstvertrauen und ein gesundes Gottvertrauen. Die Herausforderungen in der Gesellschaft sind heutzutage sehr groß, und ich kann sie am besten meistern, wenn ich selber auch Vertrauen zu mir habe. Andererseits hilft mir das Gottvertrauen, dass ich auch dort, wo ich an meine Grenzen gerate - und jeder Mensch hat Grenzen - noch eine andere Instanz habe.


Fotos: Jan-Marten Kleine-Besten