Freitag, 16. Mai 2025

Porträt

 „Nicht nur für die Menschen, sondern mit den Menschen“. Clara Kuhle (8ms1) und Emma Stiepel (8m1) im Gespräch mit Jana Kästner, Koordinatorin der Quartiersentwicklung Mitte-Ost in Braunschweig


Warum hast du diesen Job gewählt?

Die Quartiersentwicklung ist ein Arbeitsfeld, das ich total spannend finde. Es gibt die Möglichkeit, mit allen Menschen zu arbeiten, die in einem Stadtteil leben. Ich finde es unheimlich spannend, dass ich nicht einfach nur etwas für die Menschen anbiete, sondern dass ich die frage und gemeinsam mit ihnen herausfinde, was sie brauchen. Was wünschen sie sich, damit es ein besseres Miteinander im Stadtteil geben kann, also im Quartier? Und was wünschen sie sich für andere Lebensbedingungen dort? Das, was die sagen, also nicht jede einzelne, aber insgesamt, ist dann die Grundlage dafür, was wir dann eigentlich auch umsetzen. Da bringen sich dann die Menschen auch wieder ein. Und ich unterstütze und begleite sie, das ist so meine Aufgabe. Aber letzten Endes haben die Menschen hier die Möglichkeit, was es sonst recht wenig gibt und viele verlernt haben: selbst sich einbringen zu können und entscheiden zu dürfen.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?

Dass es ganz abwechslungsreich ist, dass ich mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun habe. Wir starten gerade ein Projekt, da arbeiten wir an einem Spielteppich zur Verkehrswende, wo die Kleinsten mitgestalten sollen. Die sollen ihr Spielzeug selber mitentwickeln, das heißt, die entscheiden, was kommen für Motive darauf. Wir haben Fotos gemacht, aber nicht diese klassischen Sehenswürdigkeiten, das interessiert Kinder mit drei, vier, fünf Jahren nicht unbedingt, sondern einen Pferdespielplatz, einen Eisstand, dann meinetwegen auch einen Spielzeugladen, eine Bibliothek und einen Park. Und dann können die entscheiden, welche von den vielen Motiven, die wir mitbringen, sollen da drauf. Dann gibt es aber auch Projekte mit Senioren. Oder der Bunte Abend und der Beste Reste Schmaus, wo wir mit geretteten Lebensmitteln kochen. Da kommen wirklich vom Kind über Erwachsene bis zum Senior alle. Das finde ich ganz toll. Und auch, dass eben Menschen dabei sind mit Behinderungen, dass welche dabei sind, die eine Fluchtgeschichte erleben mussten. Und dass einfach die Menschen, die hier leben, so wie sie sind, kommen können und gemeinsam in Kontakt kommen, was sie sonst vielleicht nicht machen.

Ist der Beruf ehrenamtlich?

Ich bin hier angestellt, das heißt, ich arbeite hier hauptamtlich, bin Vollzeit mittlerweile. Es gibt aber ganz viele Menschen, die sich hier ehrenamtlich einbringen, also in den Projekten, die ich begleite, oder die einfach nur eine Veranstaltung besuchen. Ich selber bin auch ehrenamtlich aktiv, aber das hier, was ich jetzt mache, Quartiersarbeit, ist mein Hauptberuf.

Was ist in deinem hauptberuflichen Kreis, wo du am meisten arbeitest?

Das sind verschiedene Projekte. Womit ich mich am meisten befasse, ist Partizipation. Dass die Menschen selbst Ideen einbringen und mitentscheiden, was soll sich verändern im Quartier, und dann auch beteiligt sind, das umzusetzen. Das ist der Kern meiner Arbeit. Und dann gibt es halt ganz unterschiedliche Projekte dazu. Wir machen auch Unterschriftenaktionen. Im Moment läuft eine für mehr Baumschutz. Wir haben auf diese Weise auch schon Sitzbänke durchgekriegt. Es gibt den Beste-Reste-Schmaus, wo wir aus geretteten Lebensmitteln etwas kochen. Es gibt den Bunten Abend, wo jeder einfach kommen kann. Die Jüngsten sind neun, als sie anfingen waren die acht, die Älteste ist über 70. Eine bringt uns ein syrisches Kinderlied bei. Die Zwillinge lesen uns die Geschichte vom Pony auf dem Balkon vor. Die Nächste hat eine Geschichte, die sie mal selbst geschrieben hat. Dann gibt es vielleicht noch ein Spiel. Jeder bringt etwas mit und es geht nicht um einen Wettbewerb. Aber sich eben auch nicht einfach hinsetzen und berieseln lassen. Sondern wirklich miteinander etwas machen. Ganz unterschiedliche Generationen. Das macht richtig Spaß.

Mit welche Aufgaben beschäftigt sich das Quartier Mitte-Ost?

Was die Menschen brauchen. Das geht los mit Barrierefreiheit, was für ältere Menschen und behinderte Menschen sehr wichtig ist. Es geht auch viel um Klimaschutz, Klimaanpassung ist ein großes Thema. Wir haben zum Beispiel als Idee eingebracht, dass die Stadt Hitzehilfetelefone für Senioren einrichten soll. Wir machen uns dafür stark, dass besser Baumschutz kommen soll in Braunschweig und vor allem hier im Quartier. Ich biete immer wieder Workshops an zum Thema Klimaschutz. Wie geht es Menschen eigentlich damit? Wird das verdrängt? Macht das eher Angst? Und wie kann man damit so umgehen, dass man ins Handeln kommt? Also aktiv sich für Klimaschutz einsetzt. Wir haben auch schon eine Ausstellung gezeigt zum Thema Klimakonsum und anderen Katastrophen, dazu begleitend Workshops. Wir hatten eine Diskussion mit dem Klimaschutzmanager der Stadt Braunschweig. Es geht aber auch einfach darum, Freizeitmöglichkeiten zu schaffen, wo Menschen sich begegnen können, ohne etwas bezahlen zu müssen. Auch, wer nicht so viel Geld hat, kann teilnehmen. Und auch dass Menschen zusammenkommen, die sich vielleicht einsam fühlen. Mit welchen, die gute Kontakte haben, Familien. Der Beste Reste Schmaus ist ein tolles Beispiel, wie so eine Gemeinschaft entstehen kann. Also mit denen, die kochen und Lebensmittel retten, und denen, die dann zum Essen kommen. Gleichzeitig passiert ganz viel Ökologisches dabei. Weil wir ja durch das Retten von Lebensmitteln ganz viele Ressourcen sparen. Wir kochen im Übrigen auch immer vegan oder vegetarisch. Viele kennen das gar nicht so, gerade von den Älteren. Dann haben wir aber auch wieder welche dabei, die schon selbst vegan leben und ganz begeistert sind. Dafür zu sensibilisieren. Eine hat mal gesagt, sie war früher Weltmeisterin im Wegwerfen von Lebensmitteln, und jetzt habe sie gelernt, was man selbst aus Resten machen kann. Und es startet demnächst noch ein Gärtnerprojekt gemeinsam mit dem Staatstheater. Auf dem Hof, wo die ihr Tanztheater haben, werden wir gemeinsam gärtnern. Auch Gärtnern plus Kultur.  Dass wir mal an der Probe teilnehmen können. Das ist wieder offen für alle, die möchten.

Wo kann man die Unterschriftenaktionen finden?

Die gibt es einmal hier bei mir auf meiner E-Mail-Liste und ansonsten auf der Ideen-Plattform der Stadt Braunschweig? Die kennen viele nicht, aber die Ideen-Plattform ist eine Möglichkeit, wo jeder, der in Braunschweig lebt, einen Vorschlag machen kann, was er sich wünscht, was geändert werden soll. Es muss natürlich die Stadt Braunschweig zuständig sein, nicht das Land oder der Bund. Dann muss man Unterschriften sammeln. Wenn man 50 zusammen hat, befasst sich der zuständige Fachbereich damit. Die machen dann einen Vorschlag, sagen, das lässt sich umzusetzen oder nicht, oder sie sagen, wir machen das, aber wir würden es ein bisschen anders machen. Und dann geht, je nachdem, welches politische Gremium zuständig ist, entweder in den Stadtbezirksrat, den Umweltausschuss, den Mobilitätsausschuss oder, wie bei den Bänken erst in die Stadtbezirksräte, dann noch in den Umweltausschuss. Dort wird darüber entschieden, ob es umgesetzt wird, und wenn ja, wie. Das ist, denke ich, eine gute Möglichkeit, wo sich Einwohner einbringen können. Manche denken halt, sie stellen es rein und dann ist das so, passiert von alleine, dass man 50 Unterschriften bekommt. Das geht meistens nicht. Sondern wenn, dann muss man halt aktiv sammeln. Ich verschicke immer über die Newsletter diesen Link. Zusätzlich sammeln wir Unterschriften auf Papier.

Wie lange machst du das hier schon?

Hier beim Deutschen Roten Kreuz bin ich seit Januar 2022 und hoffe, dass es noch lange weitergeht. Das hängt auch davon ab, wie die Politik über diese Nachbarschaftszentren entscheidet, ob die weitergehen und wie schnell. Vorher habe ich schon vier Jahre bei Ambet.

Wie viele Leute machen hier mit und in welcher Altersgruppe sind die?

Die jüngsten sind drei und die ältesten über 80, alle Generationen, alle Altersgruppen. Wie viele hier mitmachen? Das sind ganz schön viele. Manchmal sind es nur zwei, wie bei diesem Verkehrswendeteppich, die aktiv mit mir das machen. Das wäre gar nicht möglich in einer Gruppe von 20. Dann gibt es aber auch Veranstaltungen. Beim Beste Reste Schmaus haben wir einen Saal voll, da kommen 45. Bei Veranstaltungen, wo es zum Beispiel darum ging, wie wir die Stadt gestalten wollen, eine Innenstadt, die lebendig ist und nachhaltig, was es dafür braucht, da waren es um die 70, die dabei waren.

Wer kam auf die Idee, die Quartiersentwicklung zu gründen?

Das war der Wunsch der damaligen Vorständin, die mittlerweile im Ruhestand ist. Die wollte gerne, dass das Deutsche Rote Kreuz auch mit Quartiersentwicklung anfängt. Dann wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, einen Förderantrag zu schreiben, weil ich damit schon Erfahrung hatte. Dann habe ich einen Förderantrag geschrieben und wir haben wir gestartet.

Das Deutsche Roten Kreuz verbindet man oft mit ärztlicher Hilfe. Gibt es Gemeinsamkeiten mit der Quartiersentwicklung?

Ja, aber Deutsches Rotes Kreuz ist viel mehr. Der Kreisverband Braunschweig-Salzgitter hat eine Vielzahl an Angeboten. Das geht von Kitas über das Jugendrotkreuz bis zur sozialen Beratung, Krebsberatung, Beratung für Menschen mit Behinderung in der sogenannten EUTB, er ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung. Dann haben wir eine Schuldnerberatungsstelle, es gehört eine Begegnungsstätte dazu, die Nachbarschaftshilfe, wo Ehrenamtliche in Haushalte von älteren Menschen vermittelt werden, die Hilfe brauchen beim Einkaufen. Das ist eine riesige Bankbreite, was das Deutsche Rotekreuz mittlerweile macht. Ich denke, das Verbindende ist, dass man für die Menschen etwas tut und Gemeinschaft schaffen will. Und bei mir ist so, dass ich sage, nicht nur für die Menschen, sondern mit den Menschen. Was alle Angebote verbindet, ist, dass wir sagen, wir wollen diese Mitmenschlichkeit, aber eben auch, dass wir unabhängig sind, wir sind für alle Menschen offen, egal, ob die einer Religion angehören oder nicht. Gerade Menschen mit Fluchterfahrungen haben manchmal schwierige Erfahrungen gemacht mit Religionen, mit religiöser Verfolgung und dann kann das für die gut sein, so eine Neutralität zu haben.

Wie bist du darauf gekommen, die Quartiersarbeit zu machen?

Weiß ich nicht. Ich fand es einfach spannend, dass das so langsam in Deutschland an verschiedenen Orten anfing. Mich hat immer dieser partizipative Ansatz gereizt, dass Menschen sich einbringen können und aktiv mitentscheiden dürfen. Und auch, dass es inklusiv ist, das heißt, alle Menschen, die dort leben, sind angesprochen und keiner wird ausgeschlossen. Und dann auch noch, dass man verschiedene Themen miteinander verbinden kann. Das Soziale und die ökologische Nachhaltigkeit. Ich habe Soziale Verhaltenswissenschaften und Erziehungswissenschaften studiert. Da ging es auch viel darum, wie verhalten Menschen sich, was brauchen sie für eine Umwelt, wie gestalten sie diese Umwelt.

Was war bisher das größte Projekt?

Gibt es nicht. Die gehören alle irgendwie zusammen. Das macht gerade die Vielfalt aus. Klar, es gibt ganz kleine Sachen und größere. Aber das eine ganz große gibt es nicht. Wobei, doch, wir haben ein Projekt vor, das richtig groß werden sollte. Wir wollen gerne eine Bibliothek der Dinge aufbauen. Die große Herausforderung wird sein, einen Raum zu finden, der groß genug ist und so wenig wie möglich kostet. Weil eine Bibliothek der Dinge nicht so viele Einnahmen haben kann. In eine Bibliothek der Dinge kommt keine Kleidung und keine Bücher rein, aber eine Bohrmaschine, ein Waffeleisen, Spielzeug, Sportgeräte und ähnliches. Damit die Menschen sich das nicht kaufen müssen, sondern leihen können, unabhängig davon, wie viel Geld sie haben. Und man spart ganz viele ökologische Ressourcen. Nicht jeder braucht ständig die Bohrmaschine. Man kann die sich auch teilen. Das ist eine ganz große Hoffnung, dass wir das umsetzen.

 

Wer mitarbeiten oder mal reinschnuppern will: Quartiersentwicklung Mitte-Ost.

 

 

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