Freitag, 3. Mai 2019

Malteser Hilfsdienst

Nicht nur Rettungsdienst. Louis Ostrowski im Interview mit dem Rettungsstellenleiter des Malteser Hilfsdienstes Braunschweig, Jan Singelmann.



Was machen sie bei den Maltesern?
Ich bin als Rettungswachenleiter tätig, manage alles rund um das Thema Rettungsdienst und Krankentransport bei den Maltesern in Braunschweig. Darunter z. B. die Dienstplangestaltung, Lohnabrechnung, Verwaltung, führe Aufsicht über Beschaffungen, Fuhrpark und Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter. Außerdem bin ich Rettungsassistent und arbeite auch immer wieder auf unseren Rettungs- und Krankentransportwagen.


Was sind die Malteser, und was ist der Unterschied zwischen Malteser und Malteser Hilfsdienst?
Es gibt den Malteser Orden, dieser ist international aufgestellt und untersteht der katholischen Kirche in Rom. Auch in Deutschland gibt es die sog. Assoziation des Malteser-Orden mit Geistlichen und tatsächlich auch Rittern und Ordensdamen.
Der Malteser Hilfsdienst ist eine vom Malteser Orden und der Caritas 1953 gegründete Hilfsorganisation. Auch diese ist international tätig. In Deutschland kümmert sich die Hilfsorganisation um viele soziale Projekte: z. B.
  • Sanitätsdienste,
  • Katastrophenschutz,
  • Rettungsdienst,
  • Jugendarbeit,
  • Rettungshunde,
  • Besuchsdienste,
  • Erste Hilfe und Pflege-Ausbildung,
  • Demenzbegleitung,
  • Herzenswunschkrankenwagen,
  • Hausnotrufdienste,
  • Mahlzeitendienste,
  • Krankenhäuser,
  • Pflegeeinrichtungen,
  • Pflegedienste,
  • Schulbegleitung,
  • Schüler- und Behindertenfahrdienste. 

Was zeichnet den Rettungsdienst des Malteser Hilfsdienst aus?
Prinzipiell sind die Rettungsdienste der Hilfsorganisationen in Deutschland alle sehr ähnlich strukturiert. Ausbildung und Material sowie die Organisation des Rettungsdienstes gleichen sich bis auf kleine Unterschiede.
Das Besondere am Malteser Hilfsdienst ist der Bezug zum christlichen Glauben. Unser Antrieb sind Nächstenliebe und der Dienst am Bedürftigen. Dies versuchen wir im operativen Bereich wie auch in der Führung und Verwaltung zu leben.

Medumat (Beatmungsgerät).
Wie viele Rettungswagen und Krankenwagen hat der Malteser Hilfsdienst in Braunschweig?
In Braunschweig besetzen wir zwei Rettungswagen und zwei Krankentransportwagen. Ein Rettungswagen fährt 24 Stunden, sieben Tage die Woche, der zweite sechs Mal die Woche 12 Stunden. Die Krankentransportwagen fahren jeweils acht Stunden von Montag bis Sonntag.

Wie sieht der Alltag eines Rettungssanitäters aus?
Der Alltag im Rettungsdienst kann sehr unterschiedlich aussehen. Dienste im Krankentransport verlaufen etwas anders als z. B. in der Notfallrettung.
  • Der Tag in der Rettungswache beginnt mit dem Anziehen der Einsatzkleidung. Jeder Mitarbeiter hat eine persönliche Schutzausrüstung aus Jacke, Hose, Sicherheitsstiefeln und Helm.
  • Dann gehört es dazu, vor dem Dienstbeginn das Fahrzeug zu überprüfen. Das bedeutet, die technische Einrichtung des Fahrzeugs, wie Motor, Reifen, Fahrgestell werden überprüft. Ölstand, Kühlwasser, Wischwasser, Lichter und Sondersignalanlage werden kontrolliert. Dazu kommt dann die Überprüfung des medizinischen Materials, ausreichender Bestand an Medikamenten, Verbandmaterial, Infusionen, Sauerstoff usw. und die medizinischen Geräte, wie z. B. das EKG-Gerät werden auf ihre Funktion getestet. Einmal im Monat muss das gesamte Material auf Verfall kontrolliert werden.
  • Wenn mit dem Material alles in Ordnung ist, wird die Leitstelle der Feuerwehr angerufen und das Fahrzeug in Dienst gestellt. Es steht ab dann für Einsätze zur Verfügung. Die Mitarbeiter haben einen Pieper am Gürtel, der ausgelöst wird, wenn ein Einsatz für sie ansteht. Auf dem Melder werden dann die Dringlichkeit, also ob mit oder ohne Blaulicht gefahren wird, die Adresse und der Name des Patienten angezeigt, um die Einsatzstelle schnellstmöglich zu finden.
Notfallrucksack.
  • Einsatz: Zu vielen Einsätzen fährt ein Fahrzeug allein und das Rettungsteam kümmert sich eigenständig um die Patienten, regelmäßig kommen auch weitere Einsatzkräfte dazu, wie z. B. Notärzte, die mit separaten Fahrzeugen gefahren werden, die Feuerwehr oder Polizei.
  • Je nach Krankheitsbild werden die Patienten vom Rettungsteam versorgt. Das ist abhängig von der Schwere der Erkrankung oder Verletzung. Sehr typische Maßnahmen sind die Prüfung und Dokumentation der Vitalfunktionen, die Messung von Puls, Blutdruck, Blutzucker, Sauerstoffwerten und das Erfassen eines EKGs. Je nach Situation wird Sauerstoff verabreicht. Verletzungen werden versorgt, z. B. durch Verbände, Schienen, etc. Zur Gabe von Medikamenten und Infusionen dürfen die Rettungsdienst-Mitarbeiter auch venöse Zugänge legen. Dann wird der Patient in den Rettungswagen gebracht. Je nach Zustand mit unterschiedlichen Hilfsmitteln, wie Tragetüchern, Spineboard usw.
  • Wenn der Patient stabilisiert ist, erfolgt der Transport ins Krankenhaus oder andere Gesundheitseinrichtungen. Am Zielort wird der Patient an das Personal, z. B. die Pflegekräfte und Ärzte, übergeben. Parallel wird über jeden Einsatz ein Bericht angefertigt.
  • Nachdem der Patient abgegeben wurde, wird das Fahrzeug und Material wieder hergerichtet. Manchmal ist es erforderlich, direkt in die Wache zurückzufahren, um das Material dort wieder aufzufüllen, da wir manche Medikamente oder Geräte nur in begrenzter Anzahl mitführen. Zur Herrichtung des Materials gehört auch eine Desinfektion der benutzten Geräte, Materialien und Oberflächen.
  • Nach Beendigung des Einsatzes erfolgt dann die Meldung an die Leitstelle per Funk, dass das Fahrzeug wieder für einen neuen Einsatz bereit steht. Sollte kein neuer Einsatz vorliegen, fährt das Fahrzeug wieder zu seiner Rettungswache.
Signalpanel im Rettungsswagen.
Umfang der Einsätze:
  • Die Rettungswagen absolvieren etwa sechs bis zehn Einsätze innerhalb von zwölf Stunden.
  • Die Krankentransportwagen etwa sechs bis acht Einsätze innerhalb von acht Stunden. Es gibt nicht nur Einsätze im Stadtgebiet und den angrenzenden Ortschaften, sondern manchmal auch Transporte in das ganze Bundesgebiet. Dadurch sind manche Fahrzeuge auch die gesamte Schicht oder länger mit einem Einsatz beschäftigt.
Während der Zeit in der Rettungswache, wenn kein Einsatz zu absolvieren ist, sind Tagesaufgaben zu erledigen. Dazu gehört z. B. des Reinigen und Desinfizieren der Fahrzeuge, Fegen der Fahrzeughalle, Sortieren der Dienstkleidung, Aufräumen der Aufenthaltsräume, etc.
Zum Dienstende werden die Fahrzeuge desinfiziert und gereinigt und evtl. noch fehlendes Material aufgefüllt.

Was war ihr spannendster Einsatz?
Puh, schwere Frage, es gab viele spannende und lehrreiche Einsätze. Ein Einsatz, den ich sicherlich nicht vergessen wäre, war ein schwerer Stromunfall auf einem Eisenbahngelände.
Durch einen Unfall gab es Stromschlag und Lichtbogen durch eine Starkstromoberleitung der Eisenbahn. Dabei sind vier Personen wirklich sehr schwer verletzt und schwer verbrannt worden. Wir waren mit unserem Rettungswagen als erste vor Ort und mussten uns zeitgleich um mehrere Verletzte kümmern. Zum Einsatz kamen im Verlauf noch die Feuerwehr, mehrere Rettungswagen, Notärzte und Rettungshubschrauber.
Ich glaube, diese Eindrücke, Bilder aber auch die Geräusche und Gerüche, die wir dort erlebt haben, werde ich nicht vergessen.

Reanimation (Übung).
Wie sieht ihr Alltag als Rettungsstellenleiter aus?
Als Rettungswachenleiter habe ich mich um alle Belange zu kümmern, die im Zusammenhang mit dem Rettungsdienst und Krankentransport der Malteser in Braunschweig stehen zu kümmern. Vieles hat mit der Führung der Mitarbeiter zu tun. Wir haben insgesamt etwa 40 Mitarbeiter, der Großteil arbeitet in Voll- und Teilzeit und einige Kollegen arbeiten als Aushilfen bei uns.
Häufig geht es um die Vermittlung von Informationen, die Kontrolle und Überwachung rechtlicher Bestimmungen und den gemeinsamen Austausch mit den Kollegen und Vorgesetzten. Ein wichtiger Punkt ist die Erstellung des Dienstplanes und die Besetzung der Fahrzeuge bei Krankheitsausfällen. Hinzu kommen die Beschaffung und Verwaltung von Bekleidung und Ausrüstung, Arbeitsmaterial, Fahrzeugen und Geräten, die Unterweisung der Mitarbeiter, die Umsetzung des Qualitätsmanagement-Systems und arbeitsrechtlicher Bestimmung und die Aus- und Fortbildung der Kollegen. Hinzu kommen regelmäßige Besprechungen mit dem Träger des Rettungsdienstes (Stadt Braunschweig) und den anderen Hilfsorganisationen, mit den Vorgesetzten, mit anderen Dienstleitern der Maltesern aus den anderen haupt- und ehrenamtlichen Bereichen und natürlich auch die eigene Weiterbildung.


Was plant der Malteser Hilfsdienst in Braunschweig in Zukunft?
Auch wenn wir eine Hilfsorganisation mit sehr alten Wertevorstellungen sind, wollen wir keinen Stillstand, sondern suchen positive Veränderungen. Die Gesellschaft ändert sich und dem müssen wir uns anpassen. Gerade die sozialen Bereiche sind hier immer mehr gefragt.
Im Rettungsdienst versuchen wir, immer aktuell zu sein und den Patienten die bestmögliche Versorgung zu bieten. Das Ganze in Zusammenarbeit mit allen daran Beteiligten, wie den anderen Hilfsorganisationen, der Stadt, den Krankenhäusern, Pflegeheimen und Arztpraxen. Für die Mitarbeiter steht dabei eine Entlastung und Vereinfachung der Arbeit im Vordergrund, wie z. B. mehr Ergonomie bei der Arbeit. Die Entnahme von Geräten, elektrische Fahrtragen, Patiententransportstühle mit Raupenantrieb für Treppen usw.
Neben der Materialausstattung wollen wir aber auch möglichst die sozialen Aspekte verbessern, Mitwirkung an der Dienstplangestaltung, Bezahlung, Altersversorgung, Weiterbildung usw.
Im Allgemeinen wollen wir mehr soziale Dienste schaffen, wie z. B. Schulbegleitdienst, Unterstützungsangebote für Demenzkranke und ihre Pflegenden, Unterstützungen von Senioren im Alltag usw.

Hat sich die Arbeit des Rettungssanitäters in den letzten Jahren verändert? (Wegen Gaffen und Behinderungen)
Was man feststellen kann, ist, dass die Einsatzzahlen im Rettungsdienst steigen, nicht nur in Braunschweig, sondern im gesamten Bundesgebiet. Die Arbeitsbelastung nimmt zu. Darunter fällt auch die Anzahl an Einsätzen bei sogenannten Bagatellunfällen. Also leichte Erkrankungen oder Verletzungen, die nicht zwingend durch den Rettungsdienst behandelt werden müssten. Z. B. Fälle, in denen auch das Kleben eines Pflasters oder die Fahrt ins Krankenhaus mit dem eigenen PKW o. Ä. ausgereicht hätte.
Gott sei Dank muss man sagen, dass wir nur wenig bei unserer Arbeit behindert werden und es nur sehr selten zu Angriffen auf das Personal kommt. Das Gaffen ist im Zeitalter von Smartphones und Facebook einfacher und anonymer geworden. Aber wir sind uns der Zunahme bewusst und versuchen uns durch Schulung der Mitarbeiter vorzubereiten.

Was hat man beim Malteser Hilfsdienst für Karrierechancen?
Die Aufstiegschancen im Rettungsdienst sind überschaubar. Wer „Karriere“ machen möchte, muss sich weiterbilden. Studium, kaufmännische Ausbildung, Betriebswirtschaft, Gesundheitsmanagement. Dann sind auch Positionen in leitenden Funktionen, Geschäftsführung und Ähnliches möglich.
Die höchste medizinische Ausbildung im nicht-ärztlichen Bereich ist der Notfallsanitäter. Die Ausbildung dauert drei Jahre und man übernimmt dann die Verantwortung für die Versorgung der Patienten auf dem Rettungswagen, Auch der Einsatz auf Rettungshubschraubern und Notarztfahrzeugen wäre möglich. Darunter erfolgt seit der Ablösung des Rettungsassistenten die 4-monatige Ausbildung zum Rettungssanitäter. Der Rettungssanitäter wird als Assistent des Notfallsanitäters auf Rettungswagen und als Verantwortlicher auf Krankentransportwagen eingesetzt.
Es besteht die Möglichkeit, als Notfallsanitäter die Ausbildung zum Praxisanleiter und Dozenten zu machen, um neue Notfallsanitäter an den Rettungswachen oder Rettungsschulen auszubilden.

Haben Sie schon mal überlegt, aufzuhören und wenn ja, warum?
In meiner Anfangszeit habe ich mehrmals versucht, einen Platz für‘s Medizinstudium zu bekommen. Das wäre dann Grund für mich gewesen, zu kündigen. Da das aber nicht geklappt hat und ich weitere Versuche aufgegeben habe, bin ich dabei geblieben. Und diesen Schritt habe ich auch nie bereut.


Fotos: MHD


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