„freundlich
wie eine handgranate“. Jonas Gawinski im Gespräch mit dem Braunschweiger Lyriker Michael Zoch
Michael Zoch wurde am 25. Januar 1966 geboren. Wann entstand der
Dichter Michael Zoch und wie kam es dazu?
Ich habe mich schon so mit 18
irgendwie als Dichter gefühlt, ohne dass ich dieses Gefühl damals hätte genau
benennen können, wirklich ernsthaft angefangen zu schreiben habe ich mit 30,
Schuld war eine Frauengeschichte.
www.michael-zoch.de |
Drei Gedichtbände aus Ihrer Feder sind bislang erschienen, welchen
würden Sie als persönlichsten, intimsten bezeichnen? Beziehungsweise, welcher
ist Ihnen heute noch am nächsten?
„Kometen vom Fass“ ist der für
mich persönlichste und intimste und der steht mir heute auch noch am nächsten.
Wenn Michael Zoch an ein Gleis gebunden würde, welchen Gedichtband
würde er mit ins nächste Leben nehmen?
„In deinen Träumen reist dein
Herz“ von Pablo Neruda.
Gedichte wie „Südstraße“, „Querum“ oder „Brunswick 6 AM“ haben
zumindest dem Titel nach zu erteilen regionalen Bezug. Was bewegt Sie in
Braunschweig und Umgebung ein Gedicht zu verfassen?
Eigentlich nichts, also
Braunschweig als Stadt inspiriert mich nicht in einem positiven, vitalen Sinne,
es ist eher so, dass diese Gedichte trotzdem entstehen, sie entstehen im Grunde
gegen Braunschweig, sie reflektieren oft das, was meinem Naturell zuwider
läuft: Enge, Grauheit, Kälte, Stillstand.
Als Gastautor in Izmir (Türkei), haben Sie den Gedichtzyklus „Türkiye
(Intermezzo)“ erdichtet. Wovon leben diese Poeme und was unterscheidet sie von
Dichtung, die in Deutschland entstanden ist?
Die Gedichte dieses Zyklus leben
vor allem von dem Land selbst, von seinem Lebensstrom, den ich versucht habe,
in meinen Gedichten einzufangen. Deutschland ist ein Land, in dem alles
funktioniert, aber nichts lebt. Die Türkei ist ein Land, in dem alles lebt,
aber nicht alles funktioniert. Die Türkei ist ein sehr sinnliches, musikalisches
Land, ein poetisches Land, das trotz oder vielleicht auch gerade wegen der
vielen Gegensätze überaus vital ist. Und so sind denn auch die in der Türkei entstandenen
Gedichte insgesamt lebendiger, farbenprächtiger, zärtlicher, wärmer als Gedichte,
die in Deutschland entstanden sind und weiterhin entstehen.
Inwiefern kann man sagen, dass kunstübergreifende Projekte, wie mit dem
freien Künstler und Bildhauer Markus Wollenschläger, ihr dichterisches
Repertoir, ihren schaffenden Horizont erweitern?
Die Projekte mit Markus
Wollenschlaeger haben meinen Horizont enorm erweitert, unsere
Künstlerfreundschaft hat meinen Horizont generell und grundsätzlich enorm
erweitert. Dabei ist es aber weniger so, dass seine Bilderwelten konkret mein
eigenes dichterisches Repertoire erweitern würden, es ist eher so, dass mich
die ungeheure Vitalität und Schaffensfreude dieses Künstlers in eine gewisse
Schwingung versetzt, die mich in meiner eigenen Kreativität anspornt und
vorantreibt. Markus Wollenschlaeger ist wie ich ein Dichter, er dichtet mit
Farben, ich male mit Worten.
Wenn Sie ein One-Way-Ticket hätten, wohin würde die Reise gehen?
Tahiti
Michael Zoch: Goldgräberstimmungdie straße mit dem loch im sockender geruch aus dem innern nostalgischer schränkeein haarriss im abspann des blutleeren raumsich bin der mit dem schienbeinfünfzigtausend küsse tiefin deine kugelsichere nacktheit vergrabendu bist das mädchen von der datumsgrenzeund tropfst entrümpelt in die stilleauf der dunklen seite des liedeswir sind das voltder brandfleck im schlitzohr des heiligen geistesund was uns lockt am ewigen nichts ist der folgendetagfreundlich wie eine handgranateauf der stirnseite des hochgekrempelten universums(mit dem knochenmark gedacht)
Können Sie uns etwas über Ihr
aktuelles Projekt, den Gedichtband „In meinen Adern brennt noch Licht“ sagen?
Das ist das sperrigste,
widerspenstigste Biest, an dem ich bisher geschrieben habe. Im Grunde ist der
Gedichtband längst fertig, aber ich schmeiße immer wieder Gedichte raus,
ersetze sie durch neue, zerstöre bereits bestehende, lasse daraus neue
entstehen, alles ist in ständiger Wandlung begriffen, alles steht permanent auf
dem Prüfstand, da fliegen 6 Gedichte raus, hier kommen 3 neue rein, alles dreht
sich, alles bewegt sich, gut möglich, dass ich da noch 5 Jahre oder länger dran
sitze.
Was erwartet einen neuen Leser, wenn er ins Michael-Zoch-Gedichtkino
eintritt?
Goldgräberstimmungen,
Kamikazeherzen, Din A 4 Gesichter, einsturzgefährdete Tage, kriegsbemalte
Nächte, Frauen, die nicht fliegen können, gröhlende Schwäne, ein
Schimmelkäsehimmel, ein Gegenregenbogen, 15 kreidebleiche Schwalben.
Grundsätzlich: Feuer unterm Dach.
Zuletzt einen Rat für junge Schreibende?
Stell dich auf einen Stuhl und
fang an zu schreien.
Foto: Friedrich Posnien
Foto: Friedrich Posnien
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen