Mittwoch, 5. Juni 2013

Dichter im Porträt I: Volker Röhnert

„Walther von der Vogelweide konnte noch nicht twittern.“ Jonas Gawinski im Gespräch mit Jan Volker Röhnert.


Was muss ein Gedicht heutzutage beim Leser auslösen?
Bewegung.
Wie gestaltet sich der Prozess des kreativen oder freien Schreibens, aus Ihrer Sicht?
Die Form wird nicht durch äußere Zwänge diktiert, sondern ergibt sich aus der inneren Bewegung des Materials, dem Fluss der Sprache.
Inwiefern lässt sich das zeitgenössische Gedicht abgrenzen von denen der vergangenen Epochen und Strömungen?
Es schöpft aus allen Zeiten und Sprachen, ist aber in der Gegenwart zuhause. Walther von der Vogelweide* konnte noch nicht twittern, Sie schon.
Sie sind auch als Übersetzer und Kenner amerikanischer Lyrik bekannt, z. B. der von Craig Arnold**. Was macht den Reiz am Übersetzen aus?
Man lernt sich selbst von ganz neuen Seiten kennen – und natürlich auch die Sprache und Poesie dessen, den man übersetzt. Davon kann das eigene Schreiben nur profitieren.
Nach Auslandsaufenthalten in Frankreich, Italien und Bulgarien, leben und arbeiten Sie in Braunschweig. Wie hebt sich Braunschweig von Ihren bisherigen Wirkungsstätten ab und woher nehmen Sie hier Ihre Inspiration?
Von überallher, wie überall. Wo man in einem Boot stundenlang die ganze Stadt durchpaddeln kann, wie man sollte man da nicht auch Gedichte schreiben können?
Sie gelten als Flaneur der zeitgenössischen Dichtung, wie kommt dieser Ruf zustande?
Das müssen Sie Michael Krüger fragen, der das im Klappentext des Bandes Metropolen schrieb.

Prof. Dr. Jan Volker Röhnert (1979*) arbeitet als Literaturwissenschaftler am Institut für Germanstik der TU Braunschweig. Auslandsaufenthalte u. a. in Genua, Toulon und zuletzt Sofia. Übersetzt aus dem Französischen und dem Amerikanischen. Das Werk von Rolf Dieter Brinkmann hat starken Einfluss auf seine Lyrik. Hat sich mit dem Einfluss des Kinos auf die moderne Lyrik beschäftigt.

Auszeichnungen (Auswahl): Lyrikdebütpreis des Literarischen Colloquiums Berlin (2003), Harald-Gerlach-Literaturstipendium (2010), Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis auf dem Darmstädter Literarischen März (2011).

Zuletzt erschienen: Metropolen. Gedichte (München 2007), Bulgarische Blätter. Lyrik, Notate und Erzählung (Dresden 2011).
* Walther von der Vogelweide (1170-1230), bedeutender deutschsprachiger Lyriker des Mittelalters.
**Craig Arnold (1967-2009), amerik. Dichter.
***Michael Krüger (*1943), dt. Schriftsteller, Übersetzer und Verleger; seit 1986 literarischer Leiter und von 1995 bis 2013 Geschäftsführer des Hanser-Verlags.

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