Montag, 17. Juni 2013

Der Bauer und der Philosoph. Vanessa Niemitz über die WG-Fassung der „Wolken“ des Aristophanes


Mittwoch, fünfte Stunde. Ich sitze im Philosophieunterricht, hänge meinen – natürlich philosophischen – Gedanken nach und ahne nichts Böses, da stellt Herr Huber mir auf einmal die Frage, ob ich denn nicht für unsere Schülerzeitung einen Bericht über die „Wolken“-Aufführung schreiben wolle, die vor circa einer Woche an unserer Schule stattgefunden hat.
Das klang und klingt für mich nach einer wunderbaren Idee.
Na ja, wahrscheinlich weiß jetzt ein Großteil der Leserschaft gar nicht, worum es geht, deswegen erstmal ein kurzer Eindruck:
Dieses Theaterstück ist eine Komödie über den armen Bauern Strepsiades (gespielt von Vanessa Niemitz – richtig: der Autorin dieses Artikels), dessen Sohn Pheidippides (Benedikt Höxter) über seine Verhältnisse lebt und den Vater so in Schulden getrieben hat. Strepsiades geht zur ansässigen Philosophenschule, weil er sich dort Hilfe erhofft. Zusammen mit dem Philosophen Sokrates (Benjamin Diethelm) und seinem Schüler (York Steifensand), deren Götterwesen einzig und allein die Wolken (Henriette Steifensand und Stefanie Leonhard) sind, wird jedoch bald klar, dass Strepsiades alles vergisst, was er lernt. So wird schließlich sein Sohn Pheidippides zum Unterricht geschickt. Er entscheidet sich gegen das Recht (vertreten von Friederike Steifensand) und für das Unrecht (vertreten von Anna Krause). Pheidippides lernt in Folge, so gut zu reden, dass Strepsiades keine Angst mehr vor seinen Gläubigern (Arne Hilgendag und Philipp Krause) hat und ihnen auf der Nase herumtanzt.
Der täppische Philosophenschüler Strepsiades (Vanessa Niemitz) im Gespräch mit Sokrates (Benjamin Diethelm), der in Aristophanes' "Wolken" (423 v. Chr.) - anders als in den Dialogen Platons - nicht als unangreifbarer Großphilosoph dargestellt wird, sondern als gegen Bares lehrender Sophist, der zum Atheismus anstachelt und die Jugend verdirbt. Wegen u. a. dieser Vorwürfe wurde Sokrates später in Athen zum Tode verurteilt. Ob Aristophanes Sokrates kritisiert oder vielmehr das Sokratesbild der Athener Bevölkerung, ist unklar. Immerhin hat Sokrates später dem Komödiendichter  in seinem "Symposion"den Mythos von den Kugelmenschen, der den Ursprung der Liebe erklärt, in den Mund gelegt.
Am Ende wendet sich jedoch das Schicksal gegen den Vater, als der Sohn anfängt, auch ihm Unrecht zu tun, und sich dabei noch ins rechte Licht zu rücken. Strepsiades zündet wutentbrannt die Philosophenklause an und verspricht, nie wieder die Götter zu verschmähen.
Das Stück basiert auf der griechischen Originalkomödie von Aristophanes, der Text wurde von uns, der AG Griechisches Theater, unter der Leitung von Herrn Conrad, in aufwändiger Arbeit modernisiert, einzelne Textstellen gekürzt, Witze, die in griechischer Sprache lustig klingen, aber in deutscher nicht, abgewandelt. Kurz gesagt: Wir hatten alle Hände voll zu tun.
Als es dann endlich ans Proben ging, wurden rasch die Rollen vergeben, Kostüme erdacht, denn jedes Kostüm muss zur eigenen Rolle passen, aber im Grunde genommen kam sich der Großteil der Schauspieler in den Kostümen eher lächerlich vor.
Doch diese Bürde nahmen wir auf uns, trommelten noch ein paar Fünftklässler zusammen, die den Chor auf der Bühne begleiteten, sodass ein weißer, fluffiger Haufen „Wölkchen“ entstand.
Dann waren im Großen und Ganzen alle Vorbereitungen getroffen, das Stück konnte beginnen.
Donnerstag, 6.6., acht Uhr, Aula des Wilhelm-Gymnasiums.
Klaviermusik ertönt (Tizian Raschpichler am Flügel mit selbstkomponierten Stücken). Zwei Schüler liegen auf der Bühne. Die vibrierende Spannung in der Aula ist förmlich zu spüren, im proppenvollen Zuschauerraum lauert jeder auf eine Bewegung der Schauspieler. So – oder so ähnlich – reagierte das Publikum auf die Aufführung.
Die Mitwirkenden des Schauspiels.
Da! Die Musik verstummt, das Licht geht an. Die Schüler auf der Bühne bewegen sich, fangen an zu reden.
Anderthalb Stunden lang wird nun auf der Bühne herumgerannt, geschrieen, geprügelt. Text wird vergessen, Passagen werden improvisiert, Schauspieler fallen sich gegenseitig ins Wort.
Das Publikum begrüßt das Stück dennoch, es wird gelacht und applaudiert. Für die Improvisationen haben wir interessanterweise das meiste Lob bekommen.
Es scheint also, dass das Stück dem Publikum genauso viel Spaß gemacht hat wie den Mitwirkenden.
Und obwohl das Stück aus der antiken Literatur stammt, hat es nach wie vor Bedeutung, Strepsiades erlebt die wohlbekannte Regel „wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ schmerzhaft am eigenen Leibe. Ist das denn heutzutage anders?
An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Herrn Conrad und alle anderen Freunde griechischen Theaters, die uns so großartig unterstützt haben!

Fotos: Sylvia Thiele

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