Spektakuläre Aufgaben auf den deutschen Meeren. Ein Bericht zu den
Seenotrettern von Jan-Marten
Kleine-Besten
Bestimmt wart ihr schon einmal alle Tretbootfahren, entweder
auf einem Fluss oder einem See oder vielleicht sogar an einem Strand. Daher
kennt ihr alle das Gefühl, auf einem Schiff auf dem Wasser zu sein. Bei eurer
Fahrt ging bestimmt alles gut. Aber stellt euch einmal vor, ihr seid auf einem
viel größeren Schiff und fahrt auf dem Meer herum, weit vom Strand entfernt.
Dann kann euch keiner vom Ufer mal eben so retten. Vielleicht habt ihr noch das
Pech, dass euer Schiff untergeht und ihr hilflos im Wasser treibt. Bei solchen
Notfällen, aber auch bei anderen Hilfeleistungen, wie z.B. ein Schiff mit einem
Motorschaden abschleppen, kommen die deutschen Seenotretter und retten einen
aus der Gefahr. Seit dem Jahr 1865 machen sie das an Nord- und Ostsee, in den
Anfangsjahren noch mit offenen Ruderbooten, wo die Retter zum Unglücksort
ruderten und der See ausgesetzt waren. Später dann in moderneren geschlossenen
Rettungsbooten und heute in modernen Seenotrettungskreuzer mit kleinem Tochterboot
(Beiboot) oder den modernen Seenotrettungsbooten. Die meisten der 980
Seenotretter arbeiten freiwillig, und alle 54 Stationen werden auf Spendenbasis
finanziert, das heißt, dass jeder Bürger einen Geldbetrag an die Seenotretter
spenden kann, und nur dadurch werden sie dann auch finanziert.
Für einige Details habe ich den Vormann (Kapitän) des
Seeotrettungskreuzers Pidder Lüng, der auf Sylt stationiert ist, befragt.
Search and Rescue: die Pidder Lüng, Station List/Sylt, im Einsatz |
Wie heißen sie?
Christian Koprek, 2. Vormann der Station List auf Sylt auf
dem Seenotrettungskreuzer Pidder Lüng.
Seit wann
sind Sie Seenotretter?
Seit dem 15.03.2013.
Was und wann
war ihr letzter Einsatz?
Der letzte Einsatz war vor drei Wochen (Stand 31.10.16), ein
vermisster Kite-Surfer vor Wenningstedt/Sylt Westseite.
Welche
Geschichte hat Ihre Station?
1882 wurde die Station gegründet.
Wieso machen
Sie bei den Seenotrettern mit?
Überzeugung, Stolz und Ehrgeiz, zu helfen.
Kommandobrücke (innen) der Pidder Lüng |
Wie sieht
Ihr Alltag als Seenotretter aus?
Der Regeltag beginnt um 06:30 Uhr mit Aufstehen, Kaffee
kochen, Dienstbesprechung und Planung für den Tag (Übungen, Kontrollfahrten,
Wartung, Pflege usw.). Einer darf Mittagessen kochen, danach ist Ruhe im Schiff
bis 14:45 Uhr zum Kaffee. Anschließend gibt es noch Tätigkeiten an Bord oder im
Stationsgebäude bis ca. 18:00 Uhr, um 18:45 gibt es Abendbrot, oder man nutzt
die Zeit vom Abend noch für Sport usw. Gegen 23 Uhr gehen wir in der Regel
schlafen. Jede Schlafkammer ist mit UKW-Seefunk ausgestattet sowie Telefon und
Betriebsfunk, wir hören 24 Std. am Tag den Funk ab und sind stets
einsatzbereit.
Kommandobrücke (außen) |
Wieso
fasziniert Sie so das Wasser (Meer)?
Die Weite, die Ruhe, aber auch das Unbeständige, der Sturm,
der Wind, die Tiere, die Wellen. Ich habe mit 16 Jahren meine Ausbildung als
Fischwirt begonnen und bin der See treu geblieben.
Wie ist Ihre
Crew aufgebaut?
Im Idealfall zwei Techniker für die Maschinenanlage und ein
Nautiker, d. h. ein Vormann, der fährt und die Führung hat, die beiden Techniker
erledigen an Deck ihre Arbeiten und in der Maschine. Dazu kommt mit Glück noch
ein freiwilliges Mitglied, welches seine Freizeit für den Dienst der
Seenotrettung zur Verfügung stellt.
Wo wohnen
Sie, wenn Sie Dienst haben?
Wir haben direkt zum Abgang Hafen ein Stationsgebäude, in
dem wir 15 Tage wohnen wärend unserer Dienstzeit.
Wie groß ist
Ihr Einsatzgebiet?
40 km nördlich List, 50 km südlich List, das gesamte
Wattengebiet nördlich vom Hindenburgdamm und natürlich die gesamte Westseite
Sylts, da gibt es keine Grenze, wir waren schon zu Einsätzen 120 km westlich in
der Nordsee.
Maschinenraum der Pidder Lüng |
Nennen Sie
bitte ein paar Fakten zu Ihrem Arbeitsgerät?
Der Kreuzer Pidder Lüng gehört zu der sogenannten 20 m
Klasse. Drei Mann Besatzung, 24 Std., 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. 22,5
Knoten (ca. 42 km/h) schnell, 1634 PS stark, 330 Liter Diesel-Verbrauch pro
Std. Vollgas. 7500 Liter Tankvolumen für Diesel. Das Arbeitsboot Michel, ein
RIB (Reinforced Inflatable Boat) der
Firma MST, ist 4,8 m lang 2,2 m breit und wird mit einem Jet angetrieben, der
das Boot mit 160 PS auf eine Geschwindigkeit von 32 Kn bringt (ca. 60 Km/h).
Was war Ihr
spektakulärster Einsatz?
Das war in der Nacht zum 04.09.2008. Die Suche nach der
Kadettin J. Böken, die damals von dem Segelschulschiff Gorch Fock gestürzt und
ums Leben gekommen ist. (Im Netz ist viel darüber zu finden).
Gab es einen
Einsatz, an denen Sie keine guten Erinnerungen haben?
Ja, und viele, die diese Frage stellen, erhoffen sich nun
einen dramatischen Einsatz. Jedoch das Schlimmste in den fast 14 Jahren
Seenotrettung, die ich nun betreibe, war auf der Station Büsum. Unser Kreuzer,
die Hans Hackmack, war zur Routinekontrolle in der Werft, und wir haben einen
Reserve-Kreuzer auf Station bekommen, die Hannes Glogner. An meinen zweiten
Diensttag beim Frühstück fehlte mein Kollege von der Station, er war noch in
seiner Kammer und schlief wohl, nach Klopfen und weiteren Weckversuchen durch
Rufen usw. gab es keine Reaktion. Ich öffnete dann seine Kammertür um ihn zu
wecken, doch er lag leblos in seiner Koje. Sofortige Reanimation der Besatzung
und das Rufen von Notarzt und Rettungssanitätern änderten nichts an dem
Zustand. Wir haben ihn nach gut zwei Std. mit den Füßen zuerst von Bord
getragen und ihn auf seine letzte Reise geschickt.
Beiboot eines größeren Kreuzers: die Notarius (Sassnitz/Rügen). |
Beispieleinsatz, 30.07.2013: Seenotretter
bringen fünf Kinder von abtreibenden Tretbooten in Sicherheit
Fünf Kinder unter zwölf Jahren haben die freiwilligen
Seenotretter der Station Travemünde heute, Dienstag, den 30. Juli 2013, aus der
Lübecker Bucht gerettet.
Die drei Mädchen und zwei Jungen waren mit zwei Tretbooten
von einem örtlichen Tretbootverleih zunächst in Strandnähe vor Travemünde
unterwegs gewesen. Aufgrund starker ablandiger Winde und Strömung bewegten sich
die kleinen Boote trotz aller Bemühungen der Kinder, wieder Richtung Strand zu
gelangen, immer weiter aufs offene Wasser und in die Nähe des
Schifffahrtsweges.
Bemerkt wurde die gefährliche Lage von einem Segler, der
sich bei den Seenotrettern bemerkbar machte. Die Besatzung des
Seenotrettungsbootes HANS INGWERSEN/Station Travemünde der Deutschen
Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) war zu dieser Zeit noch in
einem anderen Einsatz. Sie hatte die zweiköpfige Besatzung eines entmasteten Tornados
(Sportkatamarans) gerettet und am Mövenstein bei Travemünde an Land gebracht.
Der beobachtende Segler machte im Vorbeisegeln durch deutliche Handzeichen in
Richtung See auf die Lage aufmerksam.
Die Seenotretter sichteten die kleinen blauen Tretboote nach
kurzer Zeit in etwa 700 Metern Entfernung vom Strand und fanden die Kinder bei
ihrem Eintreffen in Panik vor. Sie übernahmen die fünf Mädchen und Jungen an
Bord und wärmten sie mit Decken. Mit dem Seenotrettungsboot wurden sie in
kürzester Zeit an Land gebracht. Die Kinder gehörten zu einer Jugendgruppe aus
Lüneburg. Ihr Betreuer nahm die Kinder an Land in Empfang.
Bei dem herrschenden Südwestwind mit sechs Beaufort (bis 49
km/h) läuft in der Lübecker Bucht eine starke Strömung, gegen die weder Schwimmer
noch Tretboote ankommen. „Die Kinder haben großes Glück gehabt“, sagte
Horst-Dieter Eder, der seit 31 Jahren bei der DGzRS ist und als Vormann die
Freiwilligen-Station in Travemünde leitet. „Mit den kleinen blauen Booten wären
sie in kürzester Zeit vom Strand nicht mehr zu sehen gewesen. Wir waren zur
rechten Zeit am rechten Ort.“ Dank gilt auch dem aufmerksamen Segler, der die
Kinder in ihrer Notlage bemerkt hat.
Bilder: www.seennotretter.de, privat.
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