Und es geht eigentlich um alles. Tim Kneisel über das monumentale Kino-Opus von Tom Tykwer und den Wachowski-Geschistern.
Am Ende wird dein
Leben nicht mehr gewesen sein als ein einzelner Tropfen in einem
endlosen Ozean. Was aber ist ein Ozean, wenn nicht eine Vielzahl von
Tropfen?“
Ein Anwalt reist im 19.
Jahrhundert auf einem Schiff von einer Pazifikinsel nach San
Francisco und lernt dabei einen entflohenen Sklaven kennen. Ein
junger Komponist verlässt 1931 seine Heimat und seine große Liebe,
um endlich berühmt zu werden. Eine ambitionierte Reporterin versucht
in den 70er Jahren, eine Verschwörung um einen neuartigen
Atomreaktor aufzudecken. 2012 wird ein Mann von seinem eigenen Bruder
in ein Altersheim gesteckt und versucht zu fliehen. In einer
dystopischen Zukunft kämpft ein Klon für Gleichberechtigung und in
einer postapokalyptischen Welt hängt von einem einfachen
Ziegenhirten das Überleben der Menschheit ab.
Was haben diese
Geschichten miteinander zu tun? Genau um diese Frage dreht sich
„Cloud Atlas“, ein monumentales Gemeinschaftswerk der
Wachowski-Geschwister („Matrix“) und des deutschen Regisseurs Tom
Tykwer („Lola rennt“, „Das Parfüm“). Das Genre und die
Aussage dieses Films lassen sich schwer fassen, weil es eigentlich um
alles geht: Sklaverei und Freiheit, Verbrechen und Liebe, Tod und
Wiedergeburt. Die über mehrere Jahrhunderte verteilten Geschichten
werden im Film mosaikartig erzählt, laufen nebeneinander her, sodass
sie ein großes Ganzes ergeben. Besonders beeindruckend: Die
Hauptdarsteller spielen in jeder Geschichte eine Rolle. So sehen wir
Tom Hanks einmal in einer Hauptrolle als Ziegenhirte Zachry, dann
aber wieder nur in einem kleinen Auftritt als hinterhältiger
Hotelmanager. Halle Berry spielt unter anderem die Reporterin Luisa
Rey, aber auch eine weiße Jüdin, die aus Deutschland geflohen ist.
Bei diesen über die Zeitalter verteilten Charakteren gibt es aber
auch noch extremere Rollenwechsel, wenn zum Beispiel Hugh Grant einen
tätowierten Kannibalen spielt oder Hugo Weaving (bekannt als Agent
Smith aus „Matrix“) eine diabolische Krankenschwester. Wie gegen
Ende des Films der Komponist Robert Frobisher sagt: „Alle Grenzen
sind Konvention“. Großartige Arbeit leisten hier aber nicht nur
die Schauspieler sondern auch die Maskenbildner, die diese
unterschiedlichen Rollen erst glaubhaft machen. Zu versuchen, die
Schauspieler in jeder der Geschichten wiederzuentdecken, ist Teil des
Spaßes an diesem Film.
Trotz einer Länge von
fast drei Stunden kommt nie Langeweile auf, da die unterschiedlichen
Geschichten so abwechslungsreich sind. Es gibt actionreiche
Verfolgungsjagden, Slapstick-Humor und romantische Szenen. Durch
subtile Ähnlichkeiten in der Bildsprache und den tollen Soundtrack
schafft der Film es aber dennoch, diese verschiedenen Genres und
Handlungsstränge zusammenzuhalten, ohne dass das Publikum jemals
desorientiert zurückgelassen wird.
Der Film spielt mit
Deja-Vus, oft werden Szenen in einer Geschichte begonnen und in einer
anderen auf die eine oder andere Art weitergeführt oder zitiert.
Während die meisten Geschichten für sich genommen nicht besonders
herausragend sind, ergeben sie doch zusammen eine einzigartige,
größere Geschichte. Ob man diese esoterisch mit einer Botschaft
über Wiedergeburt sieht oder einfach als Menschheitsgeschichte
versteht, in der die im Gründe immer gleichen Probleme über
Jahrhunderte hinweg immer wieder auftreten, liegt letztlich beim
Betrachter, denn der Film will interpretiert werden und gibt keine
einzig richtige Deutung vor.
„Cloud Atlas“ ist auf
vielfältige Weise ein Film, wie es ihn noch nicht gab, und allein
schon deshalb sehenswert, weil er einen Gegenpol zum Mainstream-Kino
bietet, ohne dabei zu betont künstlerisch anspruchsvoll zu sein. Die
FSK hat trotz einiger ziemlich blutiger Szenen eine Freigabe ab 12
Jahren erteilt.
Dauer: 172 Minuten
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