„Wir sehen die Zukunft in einem Sozialbündnis“. Jorrit Bosch, Co-Kreisvorsitzender Die LINKE Braunschweig, antwortet auf die Fragen von Martino Rossi (9m1).
In
den nächsten beiden Monaten werden wir anlässlich der Europawahl am 09. Juni
2024 Interviews mit den einzelnen Parteien auf dieser Seite veröffentlichen, um
die wahlberechtigten Schüler/innen des Wilhelm-Gymnasiums bestmöglich auf die
Wahl vorzubereiten. Wir veröffentlichen die Antworten der Parteien in der
Reihenfolge, in der sie bei uns eingegangen sind. Viel Spaß beim Anschauen!
Für den Inhalt der Antworten sind ausschließlich die Parteien verantwortlich. Ein Bezug zu den Werten des Wilhelm-Gymnasiums ist daraus nicht ableitbar.
3. AfD5. Die LINKE6. ÖDP7. FDP8. SPD10. CDU
Was sind die Grundsätze Ihrer Partei (in höchstens drei
Sätzen)?
Gerechtigkeit – Knapp jeder Fünfte lebt in Deutschland
in Armut, während das Vermögen von Multimilliardären weiter wächst, daher
wollen wir eine Umverteilung von oben nach unten mithilfe einer Vermögensteuer,
damit der Großteil der Gesellschaft davon profitiert.
Gleichheit – Chancengleichheit sollte für alle Menschen
gelten, was bedeutet, wenn man später studieren oder arbeiten möchte, sollte
dies nicht vom Geldbeutel der Eltern, der Herkunft oder des Geschlechts
abhängen.
Sozialistisch – Ob Klima, Arbeit oder Gesundheit, unser
Wirtschaftssystem (der Kapitalismus) beutet die Natur sowie den Menschen aus
und zerstört unsere Lebensgrundlage, da sie statt auf Menschlichkeit auf Profit
und Gier aufbaut.
Wie lauten die aktuell wichtigsten Ziele Ihrer Partei?
Wir möchten uns im Europäischen Parlament für unsere
Kernthemen – Vereintes Europa, Demokratie, soziale und klimagerechte Politik, Gleichberechtigung,
Menschenrechte und ein Ende von Korruption und Profitlobbyismus – einsetzen. Unser Ziel
ist eine sichere und solidarische Gesellschaft. Keine Wohnungsnot, keine
Niedriglöhne, keine Hetze, kein Hass, sondern ein sicheres Zuhause, ein
gutbezahlter Job, eine Absicherung für alle, die ihren Job verlieren und ein
faires sowie friedliches Miteinander.
Stehen Sie der
Europäischen Union eher positiv oder negativ gegenüber? Warum?
Wir haben zahlreiche Kritikpunkte an der EU in ihrer
jetzigen Form: Sie ist undemokratisch, zu sehr an den wirtschaftlichen
Interessen von Großkonzernen orientiert und auch ihre fortschreitende
Militarisierung sehen wir mit Sorge. Die Europäische Union in ihrer jetzigen
Form ist ein Wirtschaftsbündnis, wir sehen die Zukunft in einem Sozialbündnis.
Europa ist aber auch ein wichtiges Friedensprojekt und
hat viel Potential für solidarische internationale Zusammenarbeit,
beispielsweise wenn es darum geht, zusammen mit anderen Ländern gegen die
Übermacht von Milliardenkonzernen zu bestehen. Hier hat Europa in den letzten
Jahren bereits Wichtiges erreicht, beispielsweise bei der Stärkung unserer
Rechte gegenüber Internetplattformen - wir glauben, dass wir noch mehr schaffen
können. Dafür braucht es auf europäischer Ebene Parteien, die den Konzern die
Stirn bieten.
Was streben Sie im
Bereich Bildung an?
Hast du schon mal von Bildungsungerechtigkeiten gehört?
Diese entstehen schon im Kindergartenalter: Während manche Eltern ihrem Kind
vorlesen, Instrumente spielen, Ausflüge ermöglichen, ist es anderen Eltern
nicht möglich, ihre Kinder zu fördern, weil sie arbeiten müssen, ihr Kind
alleine großziehen oder das Geld für das Instrument nicht reicht. Kindliche
Bildung hängt also vom Geldbeutel der Eltern ab.
Die Grundschule baut diese Ungerechtigkeiten ab, weil
alle Kinder gemeinsam lernen, spielen und Zeit verbringen. Doch unser
Bildungssystem, mit der Aufteilung in Gymnasium und Oberschulen, Realschulen
oder Hauptschulen, verstärkt diese Ungerechtigkeiten ab der fünften Klasse
enorm. Statt Kinder viel zu früh in „gut“ und „schlecht“ einzuteilen, fordern
wir, dass Kinder und Jugendliche möglichst lange gemeinsam lernen. Studien
zeigen nämlich, dass alle Kinder und Jugendliche davon profitieren würden. In
Finnland ist das bereits Praxis. Dort gehen Kinder von der ersten bis neunten
Klassenstufe in eine Klasse.
Wir sagen: Weg mit der Einteilung in Gewinner und
Verlierer! Es wird Zeit, dass weiterführende Schulen in Gesamtschulen aufgehen
und allen Kindern gleiche Chancen geboten werden.
Wie wollen Sie das
Klima schützen?
Eine Studie des Umweltbundesamts zeigt: Wer mehr
verdient, lebt meist umweltschädlicher. Das liegt zum Beispiel daran, dass
Besserverdienende häufiger mit dem Auto fahren, mehr Flugreisen unternehmen und
größere Wohnflächen nutzen.
Auch hier in Europa sind die Auswirkungen des
Klimawandels bereits spürbar. Wir Linke erkennen die Klimakrise als die
zentralste Bedrohung der globalen Gesellschaft an und setzen uns dafür ein,
Elektrizität in Europa bis 2035 zu 100% klimaneutral zu erzeugen, Städte durch
Förderprogramme dabei zu unterstützen, klimafreundliche Wärmenetze aufzubauen
und die Bahn (inklusive einem europäischen Fernverkehrsnetz, das diesen Namen
verdient) auszubauen.
Die Kosten dafür müssen gerecht verteilt sein. Das
bedeutet zum einen, dass Unternehmen CO2-Steuern nicht auf ihre Kunden abwälzen
dürfen, wo sie die Ärmsten am stärksten betreffen, die den geringsten Anteil am
CO2-Ausstoß haben. Zum anderen bedeutet das, dass wir uns für weltweite
Klimagerechtigkeit einsetzen. Wir in Europa verdanken unseren Wohlstand unter
anderem dem Fakt, dass wir jahrhundertelang von fossilen Energieträgern
profitiert haben. Länder des Globalen Südens, die darauf verzichten dasselbe zu
tun, sollten entschädigt werden. Ebenso wollen wir diese Länder durch
Forschungsprojekte und finanziell dabei unterstützen, mit den nicht mehr
vermeidbaren Folgen des Klimawandels fertig zu werden.
Halten Sie
Rechtsextremismus für ein Problem? Wenn ja, wie wollen Sie ihn bekämpfen?
Seit jeher stellen wir uns dem Rechtsextremismus
entgegen. Wir stehen für die Gleichheit aller Menschen und sehen das Erstarken
rechter Parteien in vielen Ländern Europas als eine ernstzunehmende Bedrohung.
Dafür verantwortlich ist auch eine Kürzungspolitik in Deutschland und Europa,
die Armut von großen Teilen der Bevölkerung in Kauf nimmt, um Konzernen
steigende Profite zu ermöglichen, sowie bürgerliche Parteien, die im Versuch,
Wählerstimmen zurückzugewinnen, die menschenverachtenden Forderungen rechtsextremer
Parteien übernehmen. Die Antworten von Rechtsextremen sind einfache Sündenböcke
in gesellschaftlich schwächeren Positionen – Migranten, geflüchtete Menschen,
queere Menschen und arme Menschen.
Wir glauben fest daran, dass alle Bevölkerungsgruppen
friedlich leben würden, wenn es keine Neiddebatten geben würde. Hoch lebe die
Solidarität!
Denken Sie, dass
wir eine „Festung Europa“ unbedingt verhindern sollten, wir also alle Menschen
in Not aufnehmen sollten? Oder wollen Sie Menschen in Not nicht aufnehmen?
Wenn Europa die Grenzen dicht macht, werden weiterhin
Menschen vor Krieg, Vertreibung und Hunger nach Europa flüchten. Eine Festung
Europa würde nur mehr Leid und Probleme für Geflüchtete bringen. Wir wollen,
dass Fluchtwege sicher sind, Menschen nicht über das Mittelmeer flüchten und
sich in große Gefahr bringen. Wir stehen ohne Wenn und Aber für das Grundrecht
auf Asyl. Die aktuelle Situation an den europäischen Außengrenzen ist
menschenunwürdig. Geflüchtetencamps an den EU-Außengrenzen wie Moria sind eine
Schande für einen reichen Kontinent wie Europa. Wir fordern daher ein Ende der
Kriminalisierung von privater Seenotrettung und ein Europa, das sowohl die
eigenen Mitgliedsstaaten als auch die Nachbarländer von Krisenregionen dabei
unterstützt, Geflüchtete aufzunehmen. Die aktuellen Debatten und die
Veränderung der Grünen und der SPD hin zu „Abschiebeparteien“ zeigt, dass es
eine starke Linke braucht.
Wie stehen Sie zu
einem Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union?
Wir verurteilen den Angriffskrieg Russlands auf die
Ukraine. Wir glauben gleichzeitig, dass der Krieg nicht auf dem Schlachtfeld,
sondern am Verhandlungstisch beendet wird. Mehr Waffen und mehr Krieg bedeutet
auch mehr Tote. Bis dahin zeigen wir uns solidarisch mit der unter dem Krieg leidenden
Zivilbevölkerung in der Ukraine.
In der Vergangenheit war nur knapp die Hälfte der
Bevölkerung der Ukraine für einen Beitritt in die EU. Die Ukraine war schon in
der Vergangenheit EU-Beitrittskandidat wurde aufgrund von Demokratiedefiziten
und Korruption nicht in die EU aufgenommen. Zusätzlich könnte ein Beitritt der
Ukraine in der derzeitigen Situation eine weitere Eskalationsstufe im Krieg
bedeuten. Daher fordern wir schnellstmöglich Verhandlungen über ein Ende des
Krieges.
Was läuft Ihrer Meinung
nach aktuell schief in der Politik und wie wollen Sie das ändern?
Wir halten die aktuelle Kürzungspolitik der
Ampel-Parteien für einen fundamental falschen Weg. Die wirtschaftlichen,
sozialen und ökologischen Krisen der Gegenwart lassen sich nicht lösen, Staaten
weniger Geld ausgeben. Im Gegenteil: Öffentliche Investitionen helfen der
Wirtschaft, den Menschen und sind für die Bewältigung des Klimawandels
unumgänglich. Wir fordern daher die Abschaffung der Schuldenbremse, die eine
Investitionsbremse ist! Wir wollen Menschen mit niedrigen und mittleren
Einkommen Sicherheit in der Krise geben.
Was wollen Sie
speziell für Braunschweig im Europaparlament erreichen?
Wir glauben nicht, dass Europa ein Werkzeug sein
sollte, mit dem jeder versucht, den größten Profit für sich, seine Nation und
seine Region herauszuschlagen, sondern ein Projekt der internationalen
Kollaboration und Solidarität.
Selbstverständlich sind wir aber überzeugt, dass alle
Punkte, die wir in den verschiedenen Fragen erwähnt haben, am Ende auch allen
in Europa nützen. Konkret würden zum Beispiel europäische Fördermittel zur
Unterstützung des klimagerechten Umbaus von Städten dabei helfen, in
Braunschweig die Infrastruktur für den ÖPNV, Fahrräder und andere
klimaschonende Transportformen zu verbessern oder den Ausbau des kommunalen
Fernwärmenetzes voranzutreiben.
Wieso sollte man
Sie und nicht eine andere Partei wählen?
Für alle, die eine Partei wählen wollen, die sich für
soziale Themen einsetzt, ohne vom Lobbyismus der Großkonzerne beeinflusst und
manipuliert zu werden, ist die Linke die beste Option. Wir sind die einzige im
deutschen Bundestag vertretene Partei, die keine Spenden von Konzernen und
Lobbyisten akzeptiert. Wir finanzieren uns durch die Spenden unserer Mitglieder
und anderer Einzelpersonen und sind daher auch niemandem verpflichtet. Wir
werden im europäischen Parlament eine soziale und systemkritische Kraft sein,
die für die Menschen überall in Europa und der Welt einsteht. Wer glaubt, dass
die Zukunft sozialer, gerechter und friedlicher gestaltet werden sollte, findet
bei uns ein solidarisches Zuhause :)
Bild: Wikipedia
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