Schule ist nicht alles. Unser Autor im Urlaub. |
„Ich hatte damals einen Religions- und Geschichtslehrer, der sehr, sehr streng und dafür auch berüchtigt war. Diesen Lehrer hatte ich durchgehend von Klasse 7 bis 11 immer in irgendwelchen Kursen. Eines Tages hatten wir ihn sogar in einer Vertretungsstunde. Er kam rein, knallte wie gewohnt seine Tasche auf den Tisch und stellte sich vor die Klasse. Wir erhoben uns alle, um ihn zu begrüßen, und setzen uns wieder. Er verharrte regungslos. Nach 3-4 Minuten sprach er: „Die heutige Stunde füllen wir mit der Thematik „Macht“. Dabei dachten wir uns erstmal nicht viel und arbeiteten mehr oder weniger begeistert mehrere Aspekte aus einem kurzen Text heraus und trugen die Ergebnisse in einem Tafelbild zusammen. Anschließend gab er uns noch einen kleinen Exkurs zu mächtigen Symbolen z. B. der Tempelritter, von Landeswappen oder auch Alltagssymbolen. Man kann sich vorstellen, wie unglaublich spannend das für eine damals 9. Klasse war. Mein Sitznachbar sackte während der 45 Minuten immer weiter auf seinem Stuhl zusammen und arbeitete so gut wie gar nicht mit. Fünf Minuten vor Stundenende stellte sich der Lehrer wieder vor die Klasse und verharrte dort. Wir wunderten uns schon alle, was das denn nun wieder solle. Zwei Minuten vor dem Klingeln schrie er plötzlich in einer immensen Lautstärke den Namen meines Sitznachbarn, der sich in Windeseile kerzengerade auf seinem Stuhl aufrichtete, hochrot im Gesicht anlief und für einen Moment nicht so recht wusste, wie ihm geschah. Dann beendete der Lehrer die Stunde mit sanfter Stimme und sagte: „DAS war Macht! Sobald ich eure Namen kenne, habe ich Macht über euch! Geht also sorgfältig damit um und überlegt, wen ihr in diese Privatsphäre hineinlasst. Einen schönen Tag wünsche ich euch!“ Wir blieben wie angewurzelt sitzen und er verließ den Raum: „Boaaa, krass! Was für eine Aktion!“ Erst heute kann ich das richtig einschätzen und muss sagen: Es war einer meiner imposantesten Stunden, in denen ich viel fürs Leben gelernt habe.“
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