„Du musst bescheiden sein und fleißig.“ Lennart Wiljes im Gespräch mit Boris Pfeiffer, einem der Autoren von „Die drei ??? Kids“
Boris
Pfeiffer ist ein erfolgreicher Kinder- und Jugendbuchautor. Er hat über 30
Bände der bekannten Reihe „Die drei ??? Kids“ geschrieben und auch mehrere
Buchreihen selbst erfunden und geschrieben (z. B. „Unsichtbar und trotzdem da!“,
„Akademie der Abenteuer“ und „Das Wilde Pack“). 2017 wird ein neues Buch von
ihm erscheinen. Es heißt „Die Unvollkommenen“. In vielen seiner Bücher gibt es
neben der eigentlichen Geschichte eine ganze Menge mehr zu entdecken. Es geht
dabei auch um Themen wie Freundschaft, Einsamkeit, Mitmenschlichkeit oder die
eigene Identität.
Außerdem
engagiert sich Boris Pfeiffer in unterschiedlichen Institutionen für die
Verbesserung der Lesefähigkeiten von Kindern und hält oft und gerne Lesungen
auf der ganzen Welt. Ich habe Boris Pfeiffer auf mehreren Lesungen
kennengelernt, und er war so nett, mir ein paar Fragen zu beantworten.
Boris Pfeiffer |
Wie
sind Sie zum Bücherschreiben gekommen?
Das
war ein Gemisch aus vielen Dingen, aus Fühlen und Gedanken. Ich sollte als Kind
eigentlich ein Musikinstrument in der Schule lernen. Ich wurde dann auch von
meinen Eltern auf Wunsch meiner Lehrer zum Klavierunterricht geschickt. Aber
ich war unbegabt. Ich liebte es, Musik zu hören. Aber ich konnte keine Musik
aus mir heraus bringen. Heute singe ich manchmal vor mich hin und schreibe auch
sehr gerne Liedtexte für meine Musicals und Theaterstücke. Wenn ich diese Texte
schreibe, dann singe ich sie mir innerlich auch vor. Aber mit den Fingern auf
einem Klavier oder gar auf einer Geige komme ich nicht voran. Und ich habe auch
theoretisch keine Ahnung von Musik.
Ich
bin damals zum Jugendamt gegangen und habe dort vorgetragen, dass meine Eltern
mich zum Klavierspielen zwingen. So habe ich erreicht, dass ich damit aufhören
konnte. Ich fühlte das damals auch wirklich als Zwang. Stattdessen habe ich
dann angefangen, oder eigentlich schon davor, und es dann ein wenig intensiver
weiterbetrieben, Gedichte zu schreiben. Gedichte waren meine Musik. Und Sprache
ist noch heute meine Musik.
Ich
schreibe nicht, weil ich unmusikalisch wäre oder einen Ersatz für Musik suche.
Ich schreibe Theaterstücke, Gedichten und Bücher, weil Schreiben meine
Weltsprache ist, meine Art, an dieser Welt teilzunehmen. Und als Junge von etwa
13 Jahren habe ich erkannt, dass das Schreiben mir entspricht.
Warum
schreiben Sie hauptsächlich Bücher für Kinder und nicht für Erwachsene oder
Jugendliche?
Wahrscheinlich
ist das gar nicht so. Ich habe als junger Mann ausschließlich für Erwachsene
geschrieben. Und interessanterweise werden viele meiner Bücher auch heute von
sehr vielen Erwachsenen sehr gerne gelesen. Ich habe Theaterstücke für
Erwachsene gemacht, Hörspiele geschrieben, Gedichte für Erwachsene verfasst.
Lediglich mein Erfolg als Autor ist über die Bücher für Kinder eingetreten.
Meine Bücher und mein Schreiben für Kinder wurden in der Welt am stärksten
wahrgenommen. So bin ich offiziell ein Kinderbuchautor geworden. Und ich schreibe
und lese sehr gerne für Kinder.
Ich
finde die Frage, warum jemand für Kinder schreibt, eigentlich auch etwas
merkwürdig.
Warum
sollte jemand nicht für Kinder schreiben? Warum sollte man eher für Erwachsene
oder Jugendliche schreiben? Wenn ich mir diese Frage genau anschaue, dann
verstehe ich sie nicht, ehrlich gesagt. Ich glaube, für Kinder muss man
schreiben wie für Erwachsene, nur viel besser. Denn Kinder lassen einem nichts
durchgehen.
Ich
habe auch lange am Kindertheater gearbeitet. Am GRIPS Theater in Berlin. Ich
habe dort Stücke inszeniert und geschrieben. Ich plane auch ein neues Stück für
dieses Theater, zusammen mit einem Schauspieler, Jens Mondalski, in dem es um
Lügen gehen wird. Alle Arten von Lügen.
Bosana: Pfeiffers erstes Stück für das GRIPS Theater |
Ich
glaube, dass Kinder ihre Autoren und ihre Autorinnen brauchen. Es muss Leute
geben, die diese Unterscheidung zwischen Erwachsenen und Kindern nicht so
rigoros machen, wie vielleicht die Berufs- und Arbeitswelt oder die Politik.
Kinder sind schutzloser als viel Erwachsene. Es muss Menschen geben, die sich
um die schutzlosen Wesen auf der Welt kümmern. Das können Kinder sein oder arme
Menschen oder rechtlosen Menschen. Und es gibt sehr viele verantwortungsvolle
Menschen, die sich der anderen gerne annehmen. Ich nenne hier einmal als
Beispiel die Kids-Clubs der Fußballbundesliga, die sich um viele Kinder kümmern
und bemühen, ihnen etwas zu geben. Ich nenne aber auch die Stiftung Fairchance
oder die Berliner Schulpaten.
Auf
unserer Welt geht es immer wieder um Gerechtigkeit und fehlende Gleichberechtigung.
Kinder
leiden darunter. Sie leiden nicht unbedingt mehr als die Erwachsenen, die
darunter leiden. Aber sie haben weniger Mittel, dagegen anzugehen. Und darum
finde ich, wir sollten uns um die Kinder auf der Welt bemühen. Wir sollten
Ihnen unser Bestes entgegenbringen. Ihnen eine Welt schaffen, die wir zusammen
bestmöglich beleben können. Und ich glaube, das ist ein wesentlicher Teil
meiner Arbeit.
Schreiben
sie momentan an einem neuen Buch? Wenn ja, worum geht es?
Ja,
ich schreibe an einem neuen Buch. Es geht um die Macht und die Schwäche der
Vorstellungen und der Fantasie. Es geht um die Beeinflussbarkeit der Menschen
und um den Kampf für Freiheit unserer Vorstellungen. Es geht auch um Graffiti,
die lebendig werden. Und es geht um ein Mädchen, das aus dem Reich der Fantasie
entführt wurde, um auf der Erde für die Macht einer skrupellosen Herrschaft
missbraucht zu werden.
Das
Buch heißt ‚Die Unvollkommenen‘ und wird höchstwahrscheinlich nächstes Jahr im
Kosmos Verlag erscheinen.
Was
haben Sie für Hobbys?
Ich
habe keine klassischen Hobbys oder ich würde sie nicht so bezeichnen. Ich
spiele aber sehr gerne Badminton, gehe sehr gerne wandern, liebe es, auf meinen
eigenen Füßen durch die Welt unterwegs zu sein. Ich lese gerne, ich spreche
sehr gerne mit Menschen, und ich liebe es, Orte zu sehen, an den ich zuvor noch
nicht war.
Lesen
Sie selber viel? Wenn ja, was?
Ich
lese regelmäßig. Ich lese nicht sehr viel, weil ich am Tag nicht mehr als ein,
zwei oder drei Stunden lesen kann. Ich lese Romane, analytische Berichte über
die Welt, Einschätzungen von Lebensweisen, psychologische Bücher, historische
Bücher, Zeitungen. Jeden Tag lese ich die Zeitung, mehrere Zeitungen, wenn ich
Zeit dazu habe. Dazu Gedichte, ab und zu ein Bilderbuch, ab und zu ein Kinderbuch.
Ich
lese sehr viele Mails, von sehr vielen Menschen, die mir schreiben. Ich lese
gerne Sachbücher und ich lese sehr gerne Biografien und Autobiografien. Ich
lese wirklich gerne. Ich denke mitunter, dass wenn ich alt bin und nicht mehr
viel zu tun haben werde, dass ich dann nur noch spazieren gehen und lesen
werde. Und natürlich mit meiner Frau zusammen sein.
Die
liest noch viel mehr als ich. Und arbeitet auch noch mehr.
Wie
lange schreiben Sie an einem Buch?
Diese
Frage lässt sich nicht beantworten. Es gibt Bücher, dünnere Bücher, die ich in
sechs Wochen geschrieben habe. Es gibt andere Bücher, meist dickere Bücher, die
ich in sechs Monaten geschrieben habe. Und es gibt Bücher, über die ich zwei
oder drei Jahre nachdenke und noch keine einzige Zeile zu Papier gebracht habe.
Wie
viele Bücher schreiben Sie pro Jahr?
Auch
diese Frage kann ich dir nicht beantworten. Ich habe in einem Jahr einmal zu
viele Bücher geschrieben. Und danach habe ich mir gesagt, dass ich so viele
Bücher in einem Jahr nie mehr schreiben würde. Habe ich auch nicht getan! Ich
glaube, es waren damals fünf drei ??? Bücher.
Das
war nicht gut. Das war zu viel. Ich habe das nie wieder gemacht und ich werde
es auch nie wieder machen.
Ich
schreibe immer genau so viel, wie meine Kraft und mein Wille und meine
Vorstellung es zulassen. Ich schreibe das, was ich schreiben will. Aber es gibt
keine Zahl, die das ausdrückt.
1. Band von Das wilde Pack |
Was
ist ihr persönliches Lieblingsbuch/Lieblingsreihe von ihren eigenen Büchern?
Nein,
die gibt es nicht. Ich liebe nicht eines oder eine Reihe mehr als das oder die
andere. Ich bin ungeheuer glücklich darüber, dass das Wilde Pack mittlerweile
auf der Welt sehr viel berühmter ist als die drei ???.
Ich
glaube, dass das Wilde Pack eine ganz eigene Kraft hat. Und ich freue mich,
dass es in viele Sprachen übersetzt ist, dass in ein oder zwei Jahren ein
Musical vom Wilden Pack in Shanghai aufgeführt werden wird.
Aber
meinst du, ich würde deswegen meine drei ??? Bücher nicht mögen? Nein. Ich habe
gerade ein Musical mit den drei ??? geschrieben, das nächstes Jahr in Stuttgart
aufgeführt werden wird mit der wunderbaren Musik von Peter Schindler.
Ich
liebe die Akademie der Abenteuer, die gerade auf Englisch übersetzt wird. Ich
liebe das Wilde Pack, das gerade auf Spanisch und Englisch übersetzt wird. Ich
liebe Unsichtbar und trotzdem da, Bücher, die von kaum jemandem gekannt werden
und die trotzdem alle, die sie lesen, unglaublich lieben.
Ich
liebe meinen neuen Roman. Und ich liebe meine alten Romane. Meine Bücher
vergehen nicht. Sie leben in mir weiter und sie leben in den Menschen weiter,
die sie lesen.
Es
gibt kein Lieblingsbuch. Kein Mensch sollte ein einziges Lieblingsbuch haben.
Es gibt immer mehr als ein Buch, das es wert ist gelesen, mitgelebt und
durchdacht zu werden.
Haben
sie außer Autor noch einen Nebenberuf? Wenn ja, welchen?
Nein,
ich habe keinen Nebenberuf.
Woher
kriegen Sie die Ideen für ihre Bücher?
Jedes
Buch hat eine kleine Idee als Funken in sich. Irgendwo finde ich diese Idee. In
einem Gespräch mit einem Menschen, bei einem Anblick von irgendetwas in der
Welt. In einem Zeitungsartikel, in einem Traum.
Zu
dieser Idee beginne ich mir Fragen zu stellen. Und dann beantwortet etwas in
mir nach und nach diese Fragen und daran und aus diesen Antworten wächst die
Geschichte. Und irgendwann ist sie so, dass ich sie aufschreiben kann.
Wie
lange schreiben Sie pro Tag, und wie viele Seiten schaffen sie?
Das
ist nicht immer gleich. Ich schreibe am liebsten am Tag 6-7 Stunden. Manchmal
auch mehr, selten.
Ich
schreibe gern am Morgen und ich schreibe gern am Abend. Und ich schaffe nie
gleich viele Seiten. Es können zwei Seiten sein, es können aber auch drei
Seiten sein und selten sind es auch einmal vier Seiten. Mehr Seiten sind es
selten.
Schreiben
ist kein schneller Prozess. Schreiben braucht Ruhe und Zeit.
Das Logo der Drei ??? Kids. |
Ja,
ich bin glücklich mit diesem Beruf. Für mich ist der Beruf des Autors ein
reicher Beruf. Du weißt, ich halte auch sehr viele Lesungen, ich treffe
Menschen, ich bereise die ganze Welt. Ich bin an Schulen auf nahezu allen
Kontinenten der Welt gewesen. Ich bin in Deutschland unterwegs, wahrscheinlich
in jedem Bundesland. Ich treffe Kinder, Bibliothekarinnen, Lehrer, gute
Menschen aus Fußballvereinen, Leute, die für etwas einstehen, Menschen, die das
Leben gestalten wollen. Dieses einsame Arbeiten am Schreibtisch und diese
Treffen der Menschen mitten im Leben, das beides gehört zu meinem Leben dazu.
Und dafür liebe ich diesen Beruf.
Ich
bin diesem Beruf sehr dankbar. Ich bin meinen Büchern sehr dankbar, die mich so
weit und so tief in die Welt bringen. Ja, ich kann diesen Beruf jedem
empfehlen, der die Kraft hat und die Fantasie und den Willen zu schreiben und
sich nicht entmutigen zu lassen. Es ist kein leichter Weg. Ich nehme an, kein
Beruf ist ein leichter Weg. Es ist nicht so, dass man einfach schreibt und dann
wird das alles gedruckt und man wird berühmt. Ich bin bis heute nicht berühmt.
Meine Bücher kennen viele. Meine Bücher sind viele Millionen Mal verkauft. Und
trotzdem kennt mich niemand. Jeder Fernsehspiele jeder Fußballer, alle, die im
Fernsehen auftauchen sind viel, viel berühmter als ich. Kümmert mich das? Nein.
Ich bin glücklich, wenn meine Bücher gelesen werden und die Menschen für ihr
Leben bereichern. Das ist das beste.
Du
musst bescheiden sein und tätig und fleißig, und bei dir selbst. Für alle, die
das sein mögen, empfehle ich diesen Beruf, wenn sie Geschichten zu erzählen
haben.
Fotos: http://www.borispfeiffer.de/
Sehr interessanter und Informationsreicher Artikel.
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