Ein Sturm zieht auf. Mia Angersbach und Sofia Vierling fragten Christian Schindler nach einem besonderen Erlebnis in seiner Zeit am WG
Im Januar 2007 befand ich mich mit der Skilanglauf-AG im
Trainingslager in Oderbrück. Die Witterungslage war leider so, dass wir keinen
Schnee hatten und uns auf der „grünen Wiese“ vergnügen mussten. Im Laufe der
Woche bemerkten wir, dass es immer etwas windiger wurde, aber da dies für den
Oberharz ein eher typisches Wetterphänomen ist, schenkten wir ihm keine
besondere Beachtung.
Am Morgen des 18. Januars hörte ich dann im Radio die
Meldung, dass das Orkantief Kyrill sich auf Norddeutschland zu bewege, und für
den Nachmittag und die Abendstunden wurden erhebliche Sturmböen vorhergesagt,
auch der Oberharz sei davon betroffen und man solle die Gipfelregionen der
Mittelgebirge meiden.
Mit meinem begleitenden Kollegen, Herrn Gründel, beriet ich
mich in dieser Sache, was nun zu tun sei, als ein Bus aus Braunschweig vor der
Skihütte hielt. „Okay, da denkt jemand an uns und wir werden abgeholt,“ dachten
wir. Leider nicht, der Bus war für die Gaußschule geschickt worden, die ihre
Schüler evakuierte.
Daraufhin versuchte ich am frühen Nachmittag jemanden in
unserer Schule zu erreichen, was jedoch nicht klappte.
Christian Schindler: das ruhige Auge im Orkan. |
Zu dieser Zeit meldete das Radio, dass die Zufahrtsstraßen
im Oberharz aufgrund von bereits umgestürzten Bäumen und den bevorstehenden
Orkanböen gesperrt seien, außerdem sei der Katastrophenalarm ausgerufen worden,
und man wurde aufgefordert, sich von Waldgebieten und aus der Nähe großer
Bäumen fernzuhalten.
Wenn man Oderbrück und die Eintrachthütte kennt (mitten im
Wald, umringt von ca. 30 Meter hohen Fichten) - dann fühlten wir uns doch
spätestens jetzt irgendwie
angesprochen.
Also rief ich die Polizei an und wollte wissen, wer uns hier
rausholt bzw. wie wir uns nun zu verhalten hätten. Die Antwort war kurz und
knapp - eh schon alles zu spät, wir kommen nicht mehr raus, alle im Haus
bleiben.
Mittlerweile hatten auch die Schüler mitbekommen, dass die
Situation durchaus ernst war. Herr Gründel und ich verboten, vor die Tür zu
gehen. Die Tatsache, dass die Hütte in unmittelbarer Nähe von großen Bäumen
umringt ist, ließ uns beide diskutieren, ob man nicht die beiden Zimmer im
Dachgeschoss räumen sollte, falls einer der Bäume auf das Haus kippen würde.
Auch überlegten wir, welches der sicherste Platz in der Hütte sei, und wiesen
die Schüler ohne weitere Erklärung an, die Kellerräume aufzuräumen. Der Gedanke
war, dort notfalls ein Bettenlager zu errichten, was wir den Schülern jedoch nicht
mitteilten.
Nach dem Abendbrot saßen die Schüler bei
Gesellschaftsspielen zusammen und versuchten, sich die Zeit zu vertreiben und
sich abzulenken. Mit den Oberstufenschülern war abgesprochen, dass sie
aufgeteilt in den Zimmern der jüngeren schlafen sollten, um diese falls nötig
zu beruhigen.
Wir verfolgten die Nachrichten am Radio, da es einen
Fernseher damals in der Hütte noch nicht gab. Im Laufe des Abends wurde der
Sturm immer heftiger, und gegen halb elf fiel der Strom aus!
Kein Licht, kein Radio! Wir gingen auf die Suche nach Kerzen
und Zündhölzern. Zum Glück hatte eine Schülerin ein batteriebetriebenes Radio
dabei , so dass wir die Nachrichten wieder verfolgen konnten.
Im Laufe dieses Abends und des folgenden Morgens bemerkten
wir jedoch recht schnell, wie wichtig der Strom für uns war. So fiel ohne Strom
die Heizung aus, und wir brauchten Decken, warme Jacken. Dann wurde uns klar,
dass die Telefonanlage ebenfalls am Strom hing und sich mit ziemlicher
Sicherheit die Eltern am nächsten Morgen melden würden, um sich nach unserem
Befinden zu erkundigen.
So verbrachten wir den Rest der Nacht am Radio bei
Kerzenschein in der Hütte. Die Schüler, welche nicht schlafen konnten, saßen
mit uns im Aufenthaltsraum spielten Karten oder man erzählte sich bei Kerzenschein,
eingehüllt in Decken, irgendwelche Anekdoten und Geschichten.
Am nächsten Morgen, es war gegen 6 Uhr, machte ich mich dann
auf den Weg Richtung Achtermann, um dort Handyempfang zu bekommen, und
unterrichtete unsere Schulsekretärin Frau Reineke, dass wir alle wohlauf die
Nacht und Kyrill überstanden hatten.
Irgendwann gegen 10 Uhr hatten wir dann auch wieder Strom
und wir konnten uns endlich einen Kaffee kochen, den wir wirklich brauchten.
Eine Nacht, über die ich heute noch oft mit den damaligen Schülerinnen
und Schülern spreche, wenn man sich trifft.
Übrigens, als wir am nächsten Morgen vor die Hütte traten,
sahen wir sie: zwei ca. 20 m hohe Fichten, ca. 15 m von der Hütte entfernt und
umgestürzt. Zum Glück in Richtung des Waldes gekippt.
Foto: Svenja Willenborg (2013), http://www.wilhelm-gym.de/berichte/2013/jtfo-skilanglauf/index.html