Einen außerordentlich interessanten und philosophisch sehr lehrreichen Vortrag genoss am Mittwoch die Oberstufenschülerschaft des Wilhelm-Gymnasiums und verschiedener Gymnasium aus dem Braunschweiger Land, gehalten von Prof. Karl-Wilhelm Weeber. Darüber hinaus ist das Thema nützlich für das Lateinabiturthema 2013. Friederike Steifensand war für uns dabei.
Lucius Annaeus Seneca (1-65 n. Chr.) |
Hierbei spielt die Grenze (definitio) zwischen Arbeit (labor) und Freizeit eine wichtige Rolle: die alten Römer unterschieden zwischen otium (selbstbestimmte Frei-Zeit) und negotium (fremdbestimmte Arbeits-Zeit). Es war ein Privileg für einen damaligen Römer, sich ins otium zum Philosophieren zurückziehen zu können, wie es auch der antike stoische Philosoph Seneca tat, auf dessen Briefe Prof. Weeber schwerpunktmäßig zurückgriff. Er beschäftigte sich viel mit der Frage nach der Nutzung der Zeit.
Beschreibt man das Wort „Freizeit“ näher, so besagt dieses im Deutschen wörtlich genommen „freie Zeit“. Doch wie nutzt man am sinnvollsten diese freie Zeit? Was heißt denn eigentlich „sinnvoll“? Oder sollte man sie überhaupt nutzen? Fragen über Fragen, mit denen Weeber die Zuhörer immer tiefer in komplexe Gedankengänge der Philosophie führte.
Seneca gibt – am Beispiel Amphitheater – in Briefen an seinen Freund Lucilius deutlich zu verstehen, dass er die damaligen Freizeitbeschäftigungen und Zeitvertreibe verabscheut. Philosophieren sei das, was man sinnvollen Zeitvertreib nennen könne. Dabei spiele der soziale Stand keine Rolle, es gehe für ihn nur darum, sich von der breiten Masse (multi) durch seine individuelle Freizeitbeschäftigung abzuheben. Denn damals war es besonders für die ärmeren Römer das Größte, beispielsweise in ein Theater zu gehen und dort in die „Glamour-Welt“ der Wohlhabenderen einzutauchen. Hier differenziert Weeber Senecas Ansichten: Der größte Teil der Menschen nutzte seine Zeit bewusst zum Entspannen und Spaß haben. Kritik galt denjenigen, die allein des Zeitvertreibs wegen sich zu solchen Veranstaltungen begaben. Letzten Endes will Seneca also dazu auffordern, bewusst seine Zeit zu nutzen, ohne Zwang.
„Carpe diem – Nutze den Tag!“ Wer kennt dieses Zitat nicht? Nach Seneca solle man jeden Moment, jeden Augenblick seines so kurzen Lebens sinnvoll und vor allem bewusst nutzen! Weeber stellt folgenden Vergleich zu Heute auf: Wir haben immer mehr Lebenszeit, aber weniger Zeit. Wir haben verlernt, den Wert unserer Zeit, unserer Freizeit zu schätzen und sinnvoll zu nutzen. „Find your Work-Life-Ballance“! Denn ohne Arbeit wäre kein Leben erfüllt. Das richtige Maß sorgt dafür, „man selbst“ sein zu können. Und dieses gilt es, für sich zu finden.
Nach 90 Minuten verließen die Schüler die Aula, nun aber in Gedanken bei ihrer nächsten nützlichen Zeitverwendung. Wir bedanken uns für diesen bemerkenswerten Vortrag.
Karl-Wilhelm Weeber war bis 2010 Direktor des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums Wuppertal. Er ist Lehrbeauftragter für die Didaktik der Alten Sprachen an der Universität Bochum, Honorarprofessor für Alte Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal und Autor zahlreicher Publikationen zur Vermittlung der Antike (vgl. z. B. Latin reloaded von 2011). In der ARD-Show Brot und Spiele assistierte er 2012 als Römer-Experte Moderator Matthias Opdenhövel. (Quelle: wikipedia.de)