Mittwoch, 28. September 2011

„Fenster“ ist kein deutsches Wort.

Prof. Dr. Kuhlmann spricht über „Römer und Germanen“.
Benjamin Diethelm berichtet.

Am Freitag, 16.09.2011, referierte Prof. Dr. Peter Kuhlmann, Professor für Lateinische Philologie und Fachdidaktik der Alten Sprachen an der Georg-August-Universität Göttingen, am WG. Zuhörer waren die Lateinschüler der Oberstufe, außerdem einige andere Klassen, ehemalige und aktuelle Lehrer und einige Eltern. Sein Thema war der kulturelle und sprachliche Austausch zwischen den Römern und den Germanen.
Kuhlmann referierte eine Stunde lang über den Austausch von Wörtern. Zum Beispiel kannten die Germanen bei ihrer Bauweise keine Fenster, hatten daher auch kein Wort dafür und nannten die entsprechenden Öffnungen, als sie begannen, sich an der römischen Bauweise zu orientieren, nach lat. fenestra. Auch das Kochen schien nicht unbedingt ihre Stärke zu sein – die Kochgewohnheiten und die dazugehörigen Wörter übernahmen sie von den Römern, zum Beispiel die Wörter für Pflaume (prunum), Kirsche (cerasum) oder Küche (coquina).
Kuhlmann sprach aber auch über Lautverschiebungen. Die Lateiner unter uns werden sich wahrscheinlich wundern, aber das deutsche Wort haben stammt nicht von lat. habere – daraus hat sich wohl eher geben gebildet – sondern von capere.
Zeitformen kannten die Germanen nur wenige. Es gab nur ein Präsens und eine Vergangenheitsform, ähnlich dem Präteritum. Das stieß bei Bibelübersetzungen aus dem Lateinischen auf Probleme, weil man keine Vorzeitigkeit („Nachdem Jesus ein Gebet an den Herrn gerichtet hatte, teilte er das Brot mit seinen Jüngern“) darstellen konnte – es fehlte das Plusquamperfekt. Das wurde dann gebildet aus dem, was man hatte: man nahm die Vergangenheitsform von sein bzw. haben und das Partizip.
Präpositionen gab es auch kaum – man bildete sie aus dem, was man hatte. Wer hinter weil gerne einen Hauptsatz setzt („Ich mag Gummibärchen, weil sie sind so schön süß“), bekommt dafür Ärger mit seinem Deutschlehrer, liegt aber sprachhistorisch nicht völlig falsch. Weil war ursprünglich keine Konjunktion, sondern eine alte Version unseres Wortes Weile. Dieser Fehler wird wohl schon gemacht, seit weil zu einer Konjunktion geworden ist.
Danach informierte Kuhlmann noch über das Lateinstudium, das – im Gegensatz zu anderen Studienfächern – direkt auf das in der Schule Gelernte aufbaut. Nach dem Studium kann man z. B. Lehrer oder Bibliothekar oder als Archäologe arbeiten. Sören Conrad, Lehrer für Latein und Griechisch am WG, auf dessen Initiative der Vortrag zurückgeht, fragte im Anschluss, wer unter den Zuhörern in der fast vollen Aula sich vorstellen könne, Latein zu studieren. Dafür fand sich allerdings niemand. Was nicht ist, kann ja noch werden…

Sonntag, 25. September 2011

Theater: Nathans Kinder

Klischees im Kampf der Religionen. Henrike Sprengel hat für uns die Schauspielpremiere von „Nathans Kinder“ besucht.

Wie wohl die Kinderverfilmung von Lessings „Nathan der Weise“ aussehen wird, haben wir uns gefragt. Die Antwort, die uns heute gegeben wurde, ist eine klare: vereinfacht und verfälscht. Für Kinder ab neun Jahren sollte die Aufführung des Staatstheaters Braunschweig im Haus III die aufklärerische Geschichte des weisen Juden Nathan erzählen, der eine Christin adoptierte und sie liebte wie sein eigenes Kind, obwohl ihm durch Christen seine Familie zerstört worden war. Die Geschichte von Nathan, der die Welt mit klaren Augen sah.

Auf die Bühne stürmten ein zorniger Saladin, ein geldgeiler Nathan und ein ausgesprochen theatralischer Bischof. Sie alle schrien, stürmten und prügelten, lachten, spielten und verbündeten sich. Die Figuren des dramatischen Gedichts traten auf und zeigten das Verständnis ihrer Rolle, wie es Regisseur Sebastian Wirnitzer vorgesehen hat. Vier weitere Schlüsselfiguren, nämlich Daja, Sittah, Al-Hafi und der Mönch Bonafides, wurden gänzlich außer Acht gelassen. So führten Saladin und der Bischof selbst Botengänge aus, Recha war von Daja unbeeinflusst und die Frage der Abstammung von Recha und dem Tempelherrn blieb lediglich eine Hypothese.
Die Klischees der jeweiligen Charaktere wurden erfüllt, aber Klischees waren keine Eigenschaften von Nathan, Saladin und Recha, die Lessing ihnen zugeteilt hätte. Letztlich kam das Stück, das durchaus sehr lustige Szenen enthielt, doch noch zu dem Ende, dass alle Menschen gleich sind, egal welche Religion sie mit sich bringen – da alle Religion gleich sind, auch wenn das einige Menschen noch anders sehen mögen.

So forderten die jungen Leute in dem Stück zur Handlung auf. Recha selbst verlangte von den Repräsentanten der drei großen Weltreligionen sogar, ihr zu sagen, welche davon die Richtige sei. Die schauspielerische Leistung der Akteure war gut, die Deutung der Figuren aber manchmal fragwürdig, das Bühnenbild (Vinzenz Gertler) oft verwirrend.

Die Einleitung des Stückes, in der die drei Hauptdarsteller in einem kleinen Video nackt aus dem Wasser sprangen und von Gott ihre Kleidung (die ihre Religion definierte) zugeteilt bekamen, und der ständige Begleiter Gewalt lassen aber zu dem Schluss kommen, dass dieses Stück definitiv nicht für Kinder ab neun Jahren geeignet ist, auch wenn es zum eigenständigen Handeln und Denken anregt.

Foto oben:
Marko Werner als der Jude Nathan (links) und Nina El Karsheh als Sultan (rechts) ringen mit dem Bischoff, dargestellt von Holger Foest


Wertung:

Montag, 12. September 2011

Bust it!

Adbusters nennen sie sich, sie sind Aktivisten und Spaßguerilla, sie machen, was sie wollen – Steckt etwas dahinter? Felix Jung stellt sie vor.

Werbung? Werbung hier, Werbung da. Werbung durchzieht unseren Alltag. Sie ist allgegenwärtig. Sie beeinflusst uns, unbewusst, wenige Menschen wissen um die tatsächliche Wirkung der Reklame. Werbung manipuliert nicht allein Individuen – sie beeinflusst die Gesellschaft. Kindliche Verhaltensweisen bei Erwachsenen werden propagiert, Kinder werden „ermächtigt“ und so zu Konsumisten.
Durch Werbung und Branding wird die Gesellschaft auf Konsum ausgerichtet. Ich kaufe, also bin ich. Kindlicher Eigennutz und private Freiheit treten an die Stelle von Staatsbürgertum, öffentliche Mitbestimmung und reale Freiheit. Was tun, um die Infantilisierung der Gesellschaft zu beenden, Bürger demokratisch zu ermächtigen und die Definition der Identität allein durch Konsum und Markenanhängerschaft durch eine aus eigenem, selbstständigen Denken heraus entstandene zu ersetzen?
Eine Methode heißt Adbusters. Adbusters sind eine Gruppierung, die sich der Konsumkritik verschrieben hat. Sie zeigen die unwirklichen Versprechungen und markenbindenden Identitätsvorlagen auf und treiben sie ins Absurde, sie beenden die überall vorherrschende visuelle Dominanz der Anzeigen und geben dem Bürger ein Stück öffentliche Macht zurück. Adbusters verfremden Plakate, sie führen Proteste und öffentliche Aktionen durch, sie sind präsent im Internet, nutzen soziale Medien zur Verbreitung ihrer kritischen Ansicht der Konsumgesellschaft gegenüber. Adbusters sind weltweit aktiv, sie sprechen Englisch, Deutsch oder Japanisch. Sie sind verzweigt und fühlen sich mächtig.
Ihr Ziel ist die öffentliche Aufmerksamkeit.
Doch können Adbusters etwas bewirken? Können sie den gierenden Konsumkapitalismus der heutigen Zeit wieder auf einen Kapitalismus zurückführen, der über ein menschliches Ethos verfügt und der reale statt durch ihn selbst generierte Bedürfnisse befriedigt? Die demokratische Macht stärken und die Allgegenwärtigkeit der Reklame beenden?
Sie können Anstöße erzeugen. Die Macht der Adbusters liegt nicht in der unmittelbaren Zerstörung oder Veränderung von Anzeigen, sie liegt allein im Aufmerksammachen, darin, der breiten Öffentlichkeit die Widersprüchlichkeiten und Auswüchse unseres kapitalistischen Systems aufzuzeigen. Denn nur, wenn große Teile der Gesellschaft beginnen, sich gegen Manipulation und Infantilisierung, gegen Branding und Markenidentität zu wehren, nur dann besteht eine realistische Chance, den Kapitalismus wieder auf seine ursprünglichen Bahnen zu lenken.

adbusters.org
schoenfaerben-jetzt.de

Donnerstag, 8. September 2011

Cowboys, Indianer, Aliens

„Cowboys vs. Aliens“ ist neu im Kino. Es geht um einen Western mit Zukunft. Es geht um einen Film, der neues wagt. Tim Kneisel hat ihn sich angesehen.

Warum besuchen uns Außerirdische eigentlich immer nur in der Gegenwart oder der Zukunft? Das ist scheinbar der Grundgedanke hinter dem relativ unbekannten Comic „Cowboys & Aliens“ gewesen, das jetzt verfilmt wurde. Der Genre-Mix aus Western und Science-Fiction klingt zwar zunächst nach einer verrückten Idee, ist aber erstaunlich gut gelungen.

Ein Mann wacht allein in der Wüste auf, ohne auch nur die leiseste Ahnung, wer er ist, wieso er in der Wüste liegt oder was für ein merkwürdiges Metallarmband er um sein Handgelenk trägt. Er schafft es, sich zur nächsten Stadt durchzuschlagen, wo er erfährt, dass er der gesuchte Räuber Jake Lonergan ist, der den mächtigsten Mann in der Gegend, Woodraw Dolarhyde, bestohlen hat. Doch als es zur Konfrontation zwischen den beiden kommt, wird die Stadt von Raumschiffen, die von den Einwohnern für Dämonen gehalten werden, angegriffen und fast vollständig zerstört. Dabei stellt sich heraus, dass Jakes Armband eine Waffe der Außerirdischen ist und die einzige Möglichkeit der Menschen darstellt, etwas gegen die Raumschiffe auszurichten. Nachdem die Aliens den Rückzug angereten haben, verbünden sich Jake, Dolarhyde und die anderen Überlebenden, um herauszufinden, woher die Flugmaschinen gekommen sind und um die entführten Dorfbewohner zurückzuholen…

Als erstes fällt an dem Film die tolle Besetzung auf: James Bond und Indiana Jones themselves spielen die Hauptrollen, zudem sind unter anderem Schauspieler aus „Iron Man 2“ und „Tron: Legacy“ zu sehen. Die Regie führte Jon Favreau, der durch die ersten beiden „Iron Man“-Teile bereits Erfahrung mit Actionfilmen hat. Das merkt man auch, denn technisch ist an „Cowboys & Aliens“ wirklich nichts auszusetzen. Die Effekte sind durchweg überzeugend, der Soundtrack ist eine gute Mischung aus klassischer Western- und Science-Fiction-Filmmusik und die Kameraarbeit trägt viel zur Wild-West-Atmosphäre in der ersten Filmhälfte bei. Natürlich kann man bei einem Film, dessen zentraler Handlungspunkt bereits im Titel steht, keine ausgefeilte Story erwarten, aber die Geschichte ist in sich logisch und recht gut erzählt. Selbst die kleineren Rollen haben ihren eigenen Charakter, nur die eigentliche Hauptfigur Jake Lonergan kommt dabei etwas zu kurz – was natürlich vor allem an seinem fehlenden Gedächtnis liegt. Der Film hat stellenweise einen tollen trockenen Humor, von dem etwas mehr nicht geschadet hätte. Das und eine etwas unglaubwürdige Wendung im Mittelteil sind allerdings die einzigen Schwächen des Drehbuchs – an dem ja auch immerhin ganze fünf Autoren gearbeitet haben.

Etwas fragwürdig ist lediglich die FSK-Freigabe, da die Actionszenen am Ende des Filmes und allgemein alle Szenen, in denen die Aliens selbst auftreten, wohl selbst in Begleitung ihrer Eltern für Kinder unter zehn zu brutal sein dürften. Dieser Kritikpunkt richtet sich aber eher an die FSK als an den Film selbst.

Insgesamt ist „Cowboys & Aliens“ ein guter Film, der durch seinen Genremix eine interessante Abwechslung darstellt. Er regtvielleicht nicht gerade das Gehirn an, ist aber durchaus unterhaltsam.

Wertung: 7 von 10 coolen Anti-Alien-Armbändern