Dienstag, 14. Januar 2020

Essay: Klimakrise

Warum wir handeln müssen, jetzt. Von Iman Sibai.

Mein Name ist Iman Sibai. Ich gehe in die zehnte Klasse und werde bald 16.

Unsere Generation ist besonders. Wir haben draußen gespielt, bis die Straßenlaternen angegangen sind. Wir wussten, wie man Kassetten richtig benutzt und hatten gleichzeitig CDs im Regal. Wir kennen noch die original Kinderserien der 90er, bevor sie animiert wurden. Wir sind die letzten Teenies, die ohne digitale, neumodische Geräte aufgewachsen sind und mit Telefonzellen umgehen können, und die ersten, die ein Smartphone benutzen.

Mein kleiner Bruder und ich wurden gleich erzogen, haben aber jeder eine komplett andere Kindheit gehabt.




Ist das nicht unglaublich? Trotz, dass mein Bruder nur sechs Jahre jünger ist, kennt er viele Dinge nicht, mit denen ich aufgewachsen bin. Einfach nur, weil sich die Digitalität und Technik in diesen sechs Jahren gravierend und mit großen Schritten gewandelt hat.

Aber wie wird das in 15 Jahren mit meinen eigenen Kindern sein? Klar, der technische Fortschritt wird sich noch sehr viel weiter gewandelt haben. Darüber mache ich mir aber weniger Sorgen. Die Frage, über die ich mir eher den Kopf zerbreche, ist: Wie werden meine Kinder den weiter fortschreitenden Klimawandel erleben? Wie werden sie aufwachsen, wenn wir den Klimawandel jetzt nicht stoppen?

Der Klimawandel ist im Moment ein stark diskutiertes und allgegenwärtiges Thema. Wir sind so begeistert vom Wandel der Technik, dass wir manchmal den Klimawandel aus den Augen verlieren. Das Klima verändert sich drastisch, das Eis in der Antarktis schmilzt, der Meeresspiegel steigt, Tierarten sterben aus, Mikroplastik schleicht sich in unsere Konsumgüter, der Regenwald am Amazonas wird zerstört, der Winter bleibt aus, Australien brennt, wir aber schenken lieber einem brennenden Gebäude unsere Aufmerksamkeit und das Kapital zum schnellen Wiederaufbau – wie zum Beispiel Notre Dame in Paris.

Politiker diskutieren, aber bringt das viele Reden letztendlich auch etwas? Wohl kaum können bloße Worte die Welt retten, anstatt dass wir aber etwas dagegen tun, versuchen Forscher herauszufinden, auf welchen Planeten noch wir überleben können. Was bringt uns das? Wir müssen lernen, Probleme zu lösen und sie nicht einfach beiseite zu schieben, als würde es sie nicht geben.

Ich habe Angst davor, Kinder unter solchen Bedingungen auf die Welt zu bringen. Es tut mir im Herzen weh, mir vorzustellen, dass ich meinen Kindern später, wenn sie draußen spielen wollen, nicht sagen werde: „Vergiss deinen Schal nicht, es ist kalt draußen, du erkältest dich“, sondern stattdessen: „Setz deine Sauerstoffmaske auf, du kannst sonst nicht atmen und stirbst an einem zu hohen CO2-Gehalt in der Luft.“

Wird eine solche Welt für die nächsten Generationen Normalität sein? Werden wir dann im voll ausgestatteten Ledersessel sitzen und unseren Enkeln erzählen, wie schön es früher war, frische Luft zu atmen?

Auch wenn es übertrieben klingen mag, lasst uns übertreiben! Vielleicht kommt es erst so in unseren Köpfen an. Wir wissen schließlich nicht, was in der Zukunft geschehen wird. Keiner von uns. Vor allem, wenn wir so weitermachen wie bisher, wird jede noch so wahnsinnig klingende Vorstellung eintreten. Schließlich hat ja auch vor 30 Jahren niemand den Klimawandel vorhersehen können.

Vielleicht schaffe ich es, dass Ihr diesen Artikel zu Ende lest. Vielleicht schaffe ich es auch, Euch zum Nachdenken anzuregen. Aber werde ich es schaffen, dass Ihr Euch wirklich heute vornehmt, etwas an Eurer eigenen Lebensweise zu ändern?

Für viele erscheint es anfangs schwierig, ein riesiges, ernstzunehmendes Problem anzugehen. So schwierig, dass wir verzweifeln, lieber gar nichts tun oder uns doch wieder mit anderen Dingen beschäftigen. Damit die Welt und am Ende wir eine Chance haben, müssen wir alle uns selbst verändern. Dafür sollten wir nicht nur während der Schulzeit mit einem To-Go-Becher und dem neuesten Handy in der Hand protestieren gehen und von Politikern Maßnahmen fordern. Dabei vergessen wir oft, dass auch wir längst vieles tun können. Wir müssen aufrichtig und ehrlich versuchen, uns zu informieren, so viel wie möglich umzukrempeln und zu lernen, auf Gewohnheiten zu verzichten. Jeder kleinste Schritt wird dazu beitragen, die Erde, unser Zuhause, zu schützen.

Wir tragen die Verantwortung für unsere Nachkommen. Wir müssen handeln, und zwar genau jetzt. Denn ich wünsche mir, Urururgroßmutter von Kindern zu sein, die genauso unbeschwert auf der Erde leben können wie wir.

Sonntag, 5. Januar 2020

Essay: dontdoinstagram




#dontdoinstagram – nein ehrlich, ist gefährlich. Von Lea Sgorsaly


Als ich acht war klopftest du ganz leise, gar schüchtern an meine Tür. Nach einem Sportwettkampf stand eine fremde Frau vor mir und sagte: „Kind, iss mal mehr. Das sieht doch nicht mehr schön aus.“


Mit zehn tratst du die Tür meiner Wohnung ein, machtest es dir ungeladen auf meinem Sofa gemütlich und schienst nicht mehr gehen zu wollen. Meine Nachbarin erzählte mir, dass alle jungen Frauen doch heute diese Lücke zwischen den Oberschenkeln hätten und fragte, warum ich nicht.

Ich war verwirrt.

Mit 13 branntest du rigoros mein Haus herunter, mir blieb ein einziger Trümmerhaufen.

Ich sah diese Lücke überall auf Instagram, thigh gap heißt sie also. Werde ich mal so aussehen wie sie? Ich sehnte mich nach Veränderung. Es fiel mir nicht schwer einen Trainingsplan zu erstellen, denn semiprofessionelle Influencer*innen posten täglich ihre Workouts, die wirklich und auf jeden Fall bei jedem Körper Wunder verschaffen werden.

Na dann los.

Gescheitert.

Sag mir, wäre ich hübscher, nochmal 10 kg leichter, 5 cm größer und meine Haare 30 cm länger, wärst du geblieben?

Mit 16 erkannte ich dass ich dich wohl nie kriegen werde, dass ich nie wie die Mädchen im Internet aussehen werde, dass mein Körper mein einziges Zuhause ist und dass ihn zu lieben und zu akzeptieren die wichtigste Aufgabe meines Lebens ist und dass ich mein eigenes Ideal bin. Entfolgt bin ich allen, bis auf einigen, mir vertrauten Personen. Nicht, weil ich sie nicht immer noch wunderschön und interessant finde, nicht, weil ich glaube, sie verdienen keine Followers, nicht, weil ich konventionell attraktive Frauen und Männer diskreditieren möchte, sondern bloß, weil es mir nicht gut tut, mich mit Content zu konfrontieren, der mir vor Augen führt, was mir alles fehlt, von was ich zu viel habe, und dass ich dich nie kriegen werde.


Du, liebe Bikinifigur, sitzt mir wie der Schalk im Nacken, nur dass du so gar nicht amüsant bist und lieb schon gar nicht. Du kommst nicht alleine, nein, du kommst mit deiner ganzen Bande. Das Schubladendenken, dein Verbündeter. Der Standard, dein bester Freund. Gut ist, wer in diesem Strom lebt. Aber daran ist so gar nichts gut. Wie furchtbar zu denken, du wärst alleine auf dieser Welt. Es gibt dich in allen Formen und Farben und davon ist jede individuelle Bikinifigur unvergleichlich schön. Wer von einem Strom eingesogen wird, verliert irgendwann seine Individualität. Schneller als gedacht, untergegangen und weggespült.

Also lasst uns auf uns vertrauen, unseren Weg, unser Gefühl. Lasst uns lernen, dass unseren Körper zu lieben und akzeptieren doch das ist, was uns manchmal fehlt. Wenn das geschafft ist, dann setzen wir uns gemeinsam ganz ungefiltert an den Strand, lassen unsere Problemzonen Problemzonen sein und trinken eine kalte Limonade.

Fotos: Lea Sgorsaly