Freitag, 25. November 2016

WG-Geschichten VII

Ein Sturm zieht auf. Mia Angersbach und Sofia Vierling fragten Christian Schindler nach einem besonderen Erlebnis in seiner Zeit am WG


Im Januar 2007 befand ich mich mit der Skilanglauf-AG im Trainingslager in Oderbrück. Die Witterungslage war leider so, dass wir keinen Schnee hatten und uns auf der „grünen Wiese“ vergnügen mussten. Im Laufe der Woche bemerkten wir, dass es immer etwas windiger wurde, aber da dies für den Oberharz ein eher typisches Wetterphänomen ist, schenkten wir ihm keine besondere Beachtung.
Am Morgen des 18. Januars hörte ich dann im Radio die Meldung, dass das Orkantief Kyrill sich auf Norddeutschland zu bewege, und für den Nachmittag und die Abendstunden wurden erhebliche Sturmböen vorhergesagt, auch der Oberharz sei davon betroffen und man solle die Gipfelregionen der Mittelgebirge meiden.
Mit meinem begleitenden Kollegen, Herrn Gründel, beriet ich mich in dieser Sache, was nun zu tun sei, als ein Bus aus Braunschweig vor der Skihütte hielt. „Okay, da denkt jemand an uns und wir werden abgeholt,“ dachten wir. Leider nicht, der Bus war für die Gaußschule geschickt worden, die ihre Schüler evakuierte.
Daraufhin versuchte ich am frühen Nachmittag jemanden in unserer Schule zu erreichen, was jedoch nicht klappte.
Christian Schindler: das ruhige Auge im Orkan.
Zu dieser Zeit meldete das Radio, dass die Zufahrtsstraßen im Oberharz aufgrund von bereits umgestürzten Bäumen und den bevorstehenden Orkanböen gesperrt seien, außerdem sei der Katastrophenalarm ausgerufen worden, und man wurde aufgefordert, sich von Waldgebieten und aus der Nähe großer Bäumen fernzuhalten.
Wenn man Oderbrück und die Eintrachthütte kennt (mitten im Wald, umringt von ca. 30 Meter hohen Fichten) - dann fühlten wir uns doch spätestens jetzt  irgendwie angesprochen.
Also rief ich die Polizei an und wollte wissen, wer uns hier rausholt bzw. wie wir uns nun zu verhalten hätten. Die Antwort war kurz und knapp - eh schon alles zu spät, wir kommen nicht mehr raus, alle im Haus bleiben.
Mittlerweile hatten auch die Schüler mitbekommen, dass die Situation durchaus ernst war. Herr Gründel und ich verboten, vor die Tür zu gehen. Die Tatsache, dass die Hütte in unmittelbarer Nähe von großen Bäumen umringt ist, ließ uns beide diskutieren, ob man nicht die beiden Zimmer im Dachgeschoss räumen sollte, falls einer der Bäume auf das Haus kippen würde. Auch überlegten wir, welches der sicherste Platz in der Hütte sei, und wiesen die Schüler ohne weitere Erklärung an, die Kellerräume aufzuräumen. Der Gedanke war, dort notfalls ein Bettenlager zu errichten, was wir den Schülern jedoch nicht mitteilten.
Nach dem Abendbrot saßen die Schüler bei Gesellschaftsspielen zusammen und versuchten, sich die Zeit zu vertreiben und sich abzulenken. Mit den Oberstufenschülern war abgesprochen, dass sie aufgeteilt in den Zimmern der jüngeren schlafen sollten, um diese falls nötig zu beruhigen.
Wir verfolgten die Nachrichten am Radio, da es einen Fernseher damals in der Hütte noch nicht gab. Im Laufe des Abends wurde der Sturm immer heftiger, und gegen halb elf fiel der Strom aus!
Kein Licht, kein Radio! Wir gingen auf die Suche nach Kerzen und Zündhölzern. Zum Glück hatte eine Schülerin ein batteriebetriebenes Radio dabei , so dass wir die Nachrichten wieder verfolgen konnten.
Im Laufe dieses Abends und des folgenden Morgens bemerkten wir jedoch recht schnell, wie wichtig der Strom für uns war. So fiel ohne Strom die Heizung aus, und wir brauchten Decken, warme Jacken. Dann wurde uns klar, dass die Telefonanlage ebenfalls am Strom hing und sich mit ziemlicher Sicherheit die Eltern am nächsten Morgen melden würden, um sich nach unserem Befinden zu erkundigen.
So verbrachten wir den Rest der Nacht am Radio bei Kerzenschein in der Hütte. Die Schüler, welche nicht schlafen konnten, saßen mit uns im Aufenthaltsraum spielten Karten oder man erzählte sich bei Kerzenschein, eingehüllt in Decken, irgendwelche Anekdoten und Geschichten.
Am nächsten Morgen, es war gegen 6 Uhr, machte ich mich dann auf den Weg Richtung Achtermann, um dort Handyempfang zu bekommen, und unterrichtete unsere Schulsekretärin Frau Reineke, dass wir alle wohlauf die Nacht und Kyrill überstanden hatten.
Irgendwann gegen 10 Uhr hatten wir dann auch wieder Strom und wir konnten uns endlich einen Kaffee kochen, den wir wirklich brauchten.
Eine Nacht, über die ich heute noch oft mit den damaligen Schülerinnen und Schülern spreche, wenn man sich trifft.
Übrigens, als wir am nächsten Morgen vor die Hütte traten, sahen wir sie: zwei ca. 20 m hohe Fichten, ca. 15 m von der Hütte entfernt und umgestürzt. Zum Glück in Richtung des Waldes gekippt.


Foto:  Svenja Willenborg (2013), http://www.wilhelm-gym.de/berichte/2013/jtfo-skilanglauf/index.html

Dienstag, 8. November 2016

Hansekogge

Glücksfund. Ole Hinrichsen befragt Dr. Mike Belasus, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Schiffahrtsmuseum, zur Bremer Kogge


Wann und wo haben Sie die Hansekogge gefunden?
Die sogenannte „Bremer Kogge“ wurde am 9. Oktober 1962 bei Baggerarbeiten in der Weser in Bremen gefunden.

Wie lange hat die Restaurierung gedauert?
Die Konservierung dauerte von 1982 bis 2000.

Wie viele Schiffe haben Sie insgesamt im Museum?
Viele Schiffe unterschiedlicher Art und Zeitstellung. Die genaue Zahl ist mir nicht bekannt.



In welcher Abteilung steht die Hansekogge?
Wir haben in diesem Museum keine Räume. Das Museum ist ein einziger Raum in unterschiedlichen Ebenen, die mit Treppen und Fahrstühlen zu erreichen sind. Türen gibt es nicht. Die Halle, in der die „Bremer-Kogge“ steht, wird „Koggehalle“ genannt.

Wie alt ist die Hansekogge ungefähr? Und wie konnte man das Alter bestimmen?
Das Holz für das Schiff wurde wahrscheinlich im Winter 1378/79 geschlagen. Das Schiff wurde dann vermutlich 1379 oder 1380 fertiggestellt. Somit ist das Schiff etwa 637 Jahre alt.

Haben Sie sich gefreut, als Ihr Team die Hansekogge gefunden hat?
Das Bremer Schiff ist ein Fund, der nicht von Mitarbeitern des Deutschen Schiffahrtsmuseums gemacht wurde. 1962 gab es das Deutsche Schifffahrtsmuseum noch nicht. Es wurde erst 1975 eröffnet. Damals wurde der Fund von Mitarbeitern des Bremer Focke-Museums geborgen. Wir hier im Deutschen Schiffahrtsmuseum sind aber sehr glücklich darüber, dass das Schiff gefunden wurde und viele Wissenschaftler in der ganzen Welt auch, denn es handelt sich beim Bremer Schiff um das bisher am besten erhaltene spätmittelalterliche Handelsschiff in Nordwest-Europa.



In welchem Zustand war die Hansekogge als Sie, sie gefunden haben?
Das Schiff war bei seinem Fund in einem sehr guten Zustand. Es fehlten nur wenige Teile. So ist die Steuerbordseite (rechts) komplett erhalten. Auch die hinteren Aufbauten, dass sogenannte Kastell, ist erhalten, wie auch ein querliegendes „Batspill“ und ein senkrechtes „Gangspill“, Winden, um das Tauwerk des Schiffes zu bewegen, Anker zu lichten usw. Für die Bergung musste das Schiff jedoch in seine Einzelteile zerlegt werden, da man es sonst nicht bewegen konnte.

Wie wurde die Hansekogge restauriert?
Das Schiff wurde zunächst von einem Bootsbauer in der „Koggehalle“ wieder zusammengebaut. Dann baute man einen großen Konservierungstank um das Schiff herum. Das Schiff, dessen Holzzellen während der langen Lagerung im Sand Weser schon stark zerfallen waren, wurde dann mit einer Mischung aus Kunstwachs (Polyethylenglycol, PEG) getränkt. Der Kunstwachs ersetzte so langsam das Wasser in den kaputten Holzzellen. Die Konzentration von Kunstharz im Wasser wurde stetig erhöht, bis genug davon in den Hölzern war, um diese zu stabilisieren. Dann wurde das Schiff über eine längere Zeit getrocknet.


Wie sah die Hansekogge aus, als Sie und Ihr Team sie gefunden haben?
Die Mitarbeiter des Focke-Museums, die den Fundplatz 1962 zuerst untersuchten haben am Anfang nur Teile des Schiffes sehen können, da es zum größten Teil noch im Sand steckte. Erst später konnte man erkennen, wie gut das Schiff tatsächlich erhalten war.



Bilder:
ww2.dsm.museum
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=218748