Montag, 15. November 2010

Theaterkritik: Freundschaft ohne Grenzen


„Pünktchen und Anton“. Das Weihnachtsmärchen des Staatstheaters Braunschweig
„Wenn einer keine Angst hat, dann hat er Phantasie“, sagte einst Erich Kästner, und ich finde, das passt sehr gut zu seinem 1931 erschienen Werk „Pünktchen und Anton“ - dem diesjährigen Weihnachtsmärchen, aufgeführt im Großen Haus des Staatstheaters Braunschweig.
Die Protagonisten Luise „Pünktchen“ Pogge (fantastisch: Alisa Levin) und Anton Gast (Holger Foest), die trotz ihrer unterschiedlichen sozialen Herkunft dicke Freunde sind, bewältigen ihre Probleme - mit den Eltern, dem normalen Alltag - mit viel Einfallsreichtum.
Pünktchens Vater, Direktor Pogge (Andreas Bißmeier), ist der Leiter einer großen Spazierstockfabrik und Pünktchens Mutter (Marianne Heinrich) kauft sich mit Vergnügen Kleider, von deren Preisen Antons Mutter eine ganze Monatsmiete für die kleine Wohnung, die sie mit ihrem Sohn allein bewohnt, bezahlen könnte, kümmert sich aber mit nicht einmal halb so viel Hingabe um das Wohlbefinden ihrer Tochter. Frau Gast (Martina Struppek) dagegen ist schwer krank, und Anton kümmert sich rührend um sie, kocht und verdient heimlich den Lebensunterhalt Schnürsenkelverkaufen.
Von soviel Not und Aufopferung hat Pünktchen keine Ahnung, sie wächst im wohlbehüteten Elternhaus mit Kindermädchen (Nina El Karsheh) und Köchin (ebenfalls: Martina Struppek) auf, die für ihr Wohl sorgen sollen.
Die Botschaft, dass wahre Freundschaft keine sozialen Hintergründe kennt, sowie, dass kein Geld der Welt die Liebe und Zuneigung der Eltern ersetzen kann, ist wunderschön verpackt in viel Witz, Musik und ein beeindruckendes, mit viel Liebe zum Detail umgesetztes Bühnenbild, das den Zuschauer auf eine Reise in die Vergangenheit einlädt. Der Regisseur verzichtet darauf, das Stück in der heutigen Zeit anzusiedeln, sondern belässt es in den Dreißiger Jahren, was durch die originalgetreuen Kostüme und Frisuren wunderbar zum Ausdruck kommt.
Besonders die Belustigung von Pünktchen und Anton über die „Alten und Ernsten“, die das Leben nicht genießen können und in ihrem trostlosen Alltag feststecken, ist von Robin Telfer sehr gut dargestellt. Ebenso der Wechsel zwischen Pünktchens „heiler Welt“ und der Welt draußen vor dem Fenster auf der Straße: Pünktchen geht jeden Abend, wenn die Eltern mal wieder ausgegangen sind, mit dem Kindermädchen Frl. Andacht betteln. Sie müssen Geld für Frl. Andachts Verlobten Robert, „den Teufel“, beschaffen. Dabei würde Pünktchen es viel lieber ihrem Freund Anton geben würde, der allabendlich beim Betteln mit von der Partie ist.
Pogges erfahren schneller, als Pünktchen lieb ist, von den Machenschaften ihrer Tochter und verbieten ihr den Umgang mit Anton. Der erweist sich jedoch noch als hilfreich, da er die Hauhälterin der Pogges vor einem geplanten Einbruch von „Teufel“ Robert ins Poggesche Haus warnt. Pünktchens Eltern merken dadurch, was für ein „feiner Kerl“ Anton ist, und der Freundschaft der Kinder steht nichts mehr im Wege.
Besonderes Augenmerk verdienen die musikalischen Einschübe. Z. B. machen Rap-Songs darauf aufmerksam, dass es sinnvoll, ist ein solches Stück gerade jetzt aufzuführen, wo die sozialen Unterschiede immer größer werden und man seinen Kindern so früh wie möglich vermitteln sollte, dass solche Unterschiede einer Freundschaft durchaus nicht im Wege stehen.
Dieses Stück strahlt soviel Lebensfreude und Leichtigkeit aus, dass sich ein Besuch auf jeden Fall lohnt und man den Theatersaal mit einem Lächeln auf den Lippen verlässt.
Von Marieke Dohrmann, Klasse 11
Termine: http://www.staatstheater-braunschweig.de/spielplan/premieren-und-repertoire/puenktchen-und-anton/termine/